Düsseldorf vs. Baden-Baden 5,5:2,5 - war's das schon? (7. Spieltag)
Bei aller Freude über diesen deutlichen und potenziell entscheidenden Sieg im Duell der Titelfavoriten - DSK-Präsident Jan Werner und Sponsor Wadim Rosenstein nehmen keine vorzeitigen Gratulationen zum Meistertitel entgegen. Die Saison sei erst zur Hälfte gespielt, es stünden noch harte Kämpfe bevor, sagt Rosenstein, der unter anderem vor dem Vergleich am Sonntag mit dem Tabellenzweiten aus Deizisau Respekt hat.
Beseelt und beschwingt gab sich Rosenstein im Gespräch mit schachbundesliga.de trotzdem. Baden-Baden besiegen, das sei seit langem sein Traum gewesen, habe er schon vor zwei Jahren in einem Interview gesagt. Nun ist es passiert, und das sogar als leichter nomineller Außenseiter gegen den einstigen Serienmeister, der in Düsseldorf mit einem Eloschnitt von etwa 2730 an die Bretter ging. Der Teamgeist habe den Ausschlag gegeben. Rosenstein betont, dass mancher Spieler private Verpflichtungen verschoben oder ausgelassen habe, um der wegen der Terminüberschneidung mit dem Tata Steel Chess unter Personalnot leidenden Mannschaft zu helfen.
Die familiäre Atmosphäre in Düsseldorf, auch dank des fürs Live- und Online-Publikum kommentierenden Christian Braun, habe die zahlreichen Besucherinnen und Besucher fasziniert. Nicht zuletzt sei es einmal mehr für die Jugend des Düsseldorfer SK (>200 Mitglieder, knapp die Hälfte unter 25) ein Erlebnis gewesen, die erste Garde des Vereins hautnah und im Vergleich mit einer Weltklassemannschaft zu erleben.
Nach dem 5,5:2,5 gegen erstaunlich harmlose Gäste führt Düsseldorf die Tabelle jetzt klar an. Nach Minuspunkten liegt das Team aus der NRW-Landeshauptstadt drei Zähler vor dem Deutschen Meister Viernheim und vier vor der OSG Baden-Baden.
Schachbundesliga, der 7. Spieltag:
Viswanathan Anand, zwar kaum noch aktiv, aber mit 55 Jahren immer noch die Nummer 11 der Welt, kam gegen Wesley So arg unter die Räder. | Foto: Jan Werner/Düsseldorfer SK
Ein Teil dieses Vergleichs spielt in Wijk an Zee, wo insbesondere die indischen Spitzenkräfte des Düsseldorfer SK an diesem Wochenende das alljährliche Traditionsturnier beenden und somit in der Bundesliga fehlten. Auch Baden-Baden war von dieser Terminüberschneidung betroffen, wenngleich weniger. Vincent Keymer fehlte dem Club fürs Spitzenspiel, ebenfalls der an eins gemeldete, aber bislang nicht eingesetzte Fabiano Caruana.
Die Geschichte des Kampfes ist schnell erzählt. Viswanathan Anand geriet gegen Wesley So ausgangs einer Nimzo-Indischen Verteidigung ins Straucheln und kämpfte fortan mit dem Rücken zur Wand. Auch Maxime Vachier-Lagrave handelte sich gegen Javokhir Sindarov Probleme ein. Anstatt sich einem Königsangriff auszusetzen, suchte er mit einem überaus kühnen Qualitätsopfer nach Gegenspiel. Während beide, Anand und MVL, einer drohenden Niederlage ins Auge sahen, gaben die Kollegen um sie herum eine Partie nach anderen remis.
So kam es, dass dieser mit Spannung erwartete Spitzenkampf zu keinem Zeitpunkt spannend war. Stattdessen gewann Düsseldorf schnell, ohne Probleme und hochverdient - am Ende sogar noch höher, als sich abzuzeichnen schien. Als einziger Baden-Badener kämpfte Alexander Donchenko gegen die Mannschaftsniederlage. Er hätte zumindest ein 4:4 retten können für den Fall, dass entweder Anand oder MVL hält. Für seinen Kampfgeist wurde Donchenko von Victor Bologan bestraft. Am Ende einer wechselhaften Partie setzte sich der moldawische Routinier und einstige Weltklassespieler durch.
In Viernheim beginnt das Teambuilding vor Heimspielen traditionell am Freitag, wenn die Supergroßmeister aus der ersten Mannschaft beim Vereinsabend am Blitzturnier teilnehmen. So kommt Otto-Normal-Mitglied alle paar Monate in den Genuss, mit den Eloriesen in einem Turnier zu spielen, und so wird die erste Mannschaft zum Identität stiftenden Teil des Vereinsgefüges. Beim Vereinsabend warmgeblitzt (Sieger: Shakhriyar Mamedyarov), ließen die favorisierten Viernheimer dem FC Bayern keine Chance.
Nach zwei wenig ereignisreichen Unentschieden am ersten und vierten Brett machten früh Georg Meier und Bassem Amin Anstalten, ihr Team in Front zu bringen. Beiden gelangen sichere technische Siege. Youngster Yagiz Kaan Erdogmus mit seinem ersten Partiegewinn in der Bundesliga und einmal mehr Topscorer Aravindh (5/6, Performance >2900) sorgten für den Kantersieg.
Die Freude darüber war ein wenig getrübt durch das Ergebnis des Topmatches in Düsseldorf. Die deutschen Meister aus Viernheim hatten gehofft, dass Baden-Baden den Düsseldorfern einen Punkt abnimmt, um das Team aus dem Rheinland durch einen Sieg im direkten Vergleich noch einholen zu können.
Ein glatter Sieg für die Dresdner, die weiterhin im oberen Tabellendrittel mitspielen. Die Kirchweyher, jetzt auf einen Abstiegsplatz abgerutscht, werden sich im Nachhinein über ihre zu große Friedfertigkeit zu Beginn des Kampfes ärgern. Recht bald waren die Partien an den Brettern 1, 3, 4, 5 und 8 zum Zwischenstand von 2,5:2,5 remis gegeben.
Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich noch nicht ab, dass es nun in Richtung der Dresdner laufen würde. Jens-Uwe Maiwald hatte gegen Zoran Ivanovic anfangs eine gedrückte Stellung verteidigt. Während der Kroate aus seinem Raum nichts zu machen vermochte, zog Maiwald nach und nach kräftiges Gegenspiel auf, das ihm letztlich die Partie gewann. Am zweiten Brett drehte derweil Jergus Pechac Ante Brkic ein Bauernendspiel an, das sich als verloren entpuppte.
Auch der Hamburger SK war von der Terminüberschneidung mit Wijk an Zee betroffen. Während Frederik Svane an der holländischen Küste um seine Chance auf den Turniersieg im Challengers kämpfte (vergebens leider) und Leon Luke Mendonca sich im Masters anschickte, Fabiano Caruana zu besiegen (es wurde dann doch remis), fehlten diese beiden den Hamburgern im Nordderby.
Im Wettstreit zweier nominell etwa gleichwertiger Mannschaften war die kritische Frage, wo sich die schwankenden Waagschalen in der wechselhaften Partie zwischen Vlastimil Babula und Gabor Papp einpendeln. Beide Großmeister dürfen für sich in Anspruch nehmen, zwischenzeitlich dem Sieg nah gewesen zu sein. Schließlich setzte sich Babula durch - die Basis für den Bremer Sieg, den Spartak Grigorian mit einem vollen Punkt gegen Nikolas Lubbe noch höher ausfallen ließ.
Wer versteht schon den Winawer-Franzosen? Großmeistern vom Kaliber eines Jules Moussard und Predrag Nikolic ist das zuzutrauen. Erst sah es aus, als hätte Nikolic mit den schwarzen Steinen vielleicht doch besser etwas anderes gespielt als Französisch gegen einen Franzosen, aber dann nutzte der einstige WM-Kandidat (1991) und Seniorenweltmeister (2015) die erste Unachtsamkeit Moussards zu einem versteckten taktischen Schuss. So sehenswert der Partiegewinn des Routiniers gewesen sein mag, er half den Solingern im Match gegen den Tabellenzweiten aus Deizisau wenig.
Siege von Daniel Dardha und und Tamas Banusz legten die Grundlage für den Deizisauer Sieg. Zdenko Kozul machte den Endstand komplett.
Vier Weißsiege, vier Schwarzremis, fertig. Mit einem überraschend glatten Sieg über die nominell nur marginal schlechtere Auswalhl aus Bad Mergentheim macht Bundesliga-Dino Mülheim einen großen Schritt Richtung Klassenerhalt.
Dass es an diesem Tag für Mülheim gut laufen würde, deutete sich früh an. Daniel Fridman fuhr schon ausgangs der Eröffnung auf einer Einbahnstraße dem vollen Punkt entgegen. Auch bei Patrick Zelbel in seiner 102. Bundesligapartie sowie bei Daniel Hausrath sah es gut aus. In den Reihen der Bad Mergentheimer gelang niemandem eine Partie, die es hätte spannend machen können.
Beide Teams sind jetzt mit jeweils 4 Zählern Tabellennachbarn auf Rang 11 und 12, Mülheim allerdings mit einem Match weniger.
Von Beginn an schleppte der SC Heimbach-Weis/Neuwied eine Hypothek mit sich herum, nachdem am dritten Brett Lorenzo Lodicis Najdorf-Sizilianier gründlich schiefgegangen war. Aber es gelang der Auswahl aus Deggendorf nicht, die frühe Führung dank dieses Eröffnungsdesasters über die Ziellinie zu retten.
Heimbach wehrte sich, kam seinerseits zu Siegen und sogar zu einer 4:3-Führung. Dass die nicht Bestand haben würde, war allerdings klar. Mit feiner Technik gewann am Spitzenbrett der amtierende Europameister (und mit 2,04 Metern größte Großmeister der Welt) Aleksandar Indjic sein Turmendspiel zum 4:4.