Unglückliche Niederlage gegen SC Viernheim
Rekordmeister OSG Baden-Baden gegen Titelverteidiger SC Viernheim: Es war ein Schachfest der Superlative, aber anders, als man es sich im Baden-Badener Kulturhaus LA8, der Vereinsheimat der OSG, erträumt hatte. In der dritten Saison hintereinander scheiterte der stärkste deutsche Schachverein der letzten Jahre am stärksten Rivalen. Den knappst möglichen Sieg, ein 4,5:3,5, konnten die Südhessen mit nach Hause nehmen, nach einem Match mit denkbar kuriosem Verlauf.
Vincent Keymer trug zwei halbe Punkte zu den Resultaten der OSG Baden-Baden bei. | Foto: Angelika Valkova
Aber der Reihe nach: Beide Mannschaften hatten ihre nahezu bestmöglichen Teams aufgeboten, ein Who is Who der absoluten Weltklasse im Schach. Zusammen mit zahlreichen anderen Zuschauern hatte der erwartete spannende Kampf auch Baden-Badens Oberbürgermeister Dietmar Späth angelockt. In seinem Begrüßungswort hob der OB die Bedeutung der „Schachstadt“ Baden-Baden und den Spiegelsaal in einem der „schönsten Gebäude der Stadt“ als ein dem Ereignis angemessenen Rahmen hervor. Auch Dr. Sebastian Hirsch, Vorstandsvorsitzender des Hauptsponsors der OSG, der „grenke AG“, und natürlich OSG-Vereinsvorsitzender Patrick Bittner wie auch Mannschaftsführer Sven Noppes richteten Grußworte an Spieler und Publikum. Sven Noppes verblüffte mit der Vermutung, dass in wenigen Augenblicken eine der am stärksten besetzten Begegnungen in der Geschichte der Schachbundesliga starten werde.
Eine großmeisterliche Kommentierung der Spiele sollte ins Internet übertragen und an die Wand des Kristallsaales ein Stockwerk tiefer gebeamt werden.
Durch technische Probleme verzögerte sich dieser Service allerdings etwas – wie ein Schattenwurf auf das, was folgen sollte: Zunächst Remispartien an den ersten fünf Brettern, Alireza Firouzja, OSG, Nummer sieben der Weltrangliste, gegen Nodbirek Abdusattorov, SC Viernheim, Nummer sechs in der Welt, Levon Aronian gegen Jan Krzysztof Duda, Vincent Keymer gegen Shakhriyar Mamediyarov, Maxime Vachier-Lagrave gegen Parham Maghsoodloo, Richard Rapport gegen Alexej Sarana, bis auf Sarana allesamt unter den ersten 25 der Weltrangliste, alle Partien im Rahmen des Normalen.
An den letzten drei Brettern liefen die Auseinandersetzungen jedoch völlig anders, als bis kurz vor ihrem Ende zu erwarten war: Bei Peter Svidler war auf Baden-Badener Seite das Schlimmste zu befürchten, also eine Niederlage. Sein heroischer Widerstand gegen die hartnäckigen Gewinnersuche seines indischen Gegners Chithambaram VR Aravindh wurden jedoch schließlich mit einem halben Punkt belohnt. Bei Rustam Kasimdzhanov drohte gegen David Anton Guijarro keine wirkliche Verlustgefahr. Ein bei ihm sehr seltener Schnitzer brachte aber plötzlich der OSG überraschend die einzige Niederlage. Die dann noch laufende, letzte Partie versprach einen klaren Sieg für die OSG. Bogdan Daniel Deac sah offenbar einen klaren Gewinnweg gegen Anton Korobov und zog rasch, aber – in eine Falle. Ein unglückliches Unentschieden das Resultat dieser Partie. Das mögliche 4:4 gegen den SC Viernheim verwandelte sich in eine Baden-Badener Niederlage, gefolgt von fassungsloser Enttäuschung bei OSG-Anhängern und Offiziellen. Direkt danach Patrick Bittner: „Was soll ich dazu sagen?“ Sven Noppes: Vielsagendes Schweigen.
Und am nächsten Tag, gegen den Außenseiter SC Heimbach-Weis-Neuwied ebenfalls eine Kuriosität: An sieben Brettern Remis, aber ausgerechnet der Verlierer des Vortages, Rustam Kasimdzhanov, wurde mit seinem fein berechneten Sieg gegen Jakub Kosakowski zum Matchwinner für Baden-Baden. Auch wieder 4,5:3,5, diesmal aber für den Verein an der Oos.
Und so sieht Mannschaftsführer Sven Noppes durchaus noch Chancen im Meisterschaftsrennen. Haushoher Favorit ist jetzt zwar der SK Düsseldorf, jedoch nicht unverwundbar, wie das knappe 4,5:3,5 der Rheinländer gegen den FC St. Pauli gezeigt hat. Der Kiez-Verein hatte am letzten Wochenende sowieso allen andern in der Schachbundesliga die Show gestohlen, weil er am ersten Brett mit dem besten Schachspieler der Welt angetreten war, Magnus Carlsen.
(Text: Walter Siemon)