Doppeltes Quartett (6. Spieltag)
Nach sechs Spieltagen kommt die Liga dreigeteilt daher. Oben hat sich ein Quartett ein wenig abgesetzt - unten auch. Viernheim und Deizisau bleiben verlustpunktfrei vorne, verfolgt von Baden-Baden und Kirchweyhe. Unten stehen mit einem bzw. zwei Punkten Kiel, Hamburg, Remagen und Hannover. Weder oben noch unten haben die Mitglieder dieser Quartette schon gegeneinander gespielt. Das wird erst bei der zentralen Runde ab dem 23. Februar in Viernheim passieren - und wahrscheinlich zu Vorentscheidungen führen.
Der sechste Spieltag:
Prädikat wertvoll: Als Shakhriyar Mamedyarov im Viernheimer Livestream zunehmend Lust bekam, über Schach zu sprechen, erfreuten sich die Zuschauenden an zwei Eröffnungslektionen und Erzählungen des einstigen WM-Kandidaten über Viktor Kortschnoi.
Wie sich beim Schach ein Kampf drehen kann, sahen die Zuschauer des Vergleichs zwischen Dresden und Mülheim. Früh sah es aus, als würden die Mülheimer dem gestrigen Sieg über Hannover einen weiteren folgen lassen. Erst geriet Dresdens Mateusz Bartel ausgangs der Eröffnung in so große Not, das eine Figur ins Geschäft steckte, um das Wasser zu trüben. Dann kassierte Daniel Hausrath, ebenfalls ausgangs der Eröffnung, den ersten vollen Punkt für Mülheim, nachdem Paul Hoffmann in einer Folge forcierter Züge deren letzten entscheidenden übersehen hatte.
Den Ausgleich für Dresden besorgte Peter Michalik, der im Turmendspiel Thomas Beerdsen eine passive Aufstellung aufzwang und daraus Kapital schlug. Aber da konnten die Mülheimer davon ausgehen, dass Bartel verlieren würde und Roven Vogel auch, der gegen Patrick Zelbel in argen Schwierigkeiten steckte.
In Zeitnot drehte Vogel die Partie mit einem taktischen Einschlag. Den hatte Zelbel übersehen und fing sich daraufhin nicht mehr. Zwischenzeitlich hatte sich Bartel in ein Endspiel mit Turm gegen zwei Figuren gerettet, das Nguyen gewinnen musste, um den Kampf zu retten, aber nicht konnte. Und so fahren die Dresdner mit zwei Punkten nach Hause, von denen lange die Mülheimer gedacht hatten, es seien ihre.
Wie am Vortag begann es für Hannover mit einer schnellen Punkteteilung und endete mit einer deftigen Niederlage. Die zeichnete sich anfangs nicht ab. Zwar überspielte am Spitzenbrett Pentale Harikrishnia Jakob Pfreundt filigran und sehenswert, aber Jan Pubantz legte derweil den König von Loek van Wely frei und schien auf einem guten Weg, ihn zu erlegen.
Und dann ging es doch Schlag auf Schlag inklusive der van-Wely-Partie, die der Niederländer zu drehen vermochte. Beim Stand von 1:6 aus Hannoverscher Perspektive belohnte sich David Höffer für eine nicht makellose, aber feine positionelle Leistung mit dem Ehrensieg seiner Mannschaft.
Wer nicht von Beginn an reinschaute, hatte schon viel verpasst. Aus dem Stand zettelten Ivan Cheparinov und Kirill Shevchenko am ersten Brett eine wilde Prügelei an, in der sich der Bulgare mit den weißen Steinen eine blutige Nase holte. Nach 25 Zügen war die außer Kontrolle geratene Partie vorbei.
Lange liefen die Kieler im Nordduell dem Rückstand hinterher, schafften es aber nicht nur aufzuholen, sondern sich sogar Chancen auf zwei Punkte zu erspielen. Insbesondere Jonas Buhl-Bjerre wird sich ärgern, dass er nicht mehr als ein Remis geschafft hat. Für Kiel was das 4:4 der zweite Punkt an diesem Doppelspieltag sowie in der Saison insgesamt.
Für Kirchweyhe der zweite Sieg des Wochenendes, für Hamburg die zweite Niederlage. Während die einen ihre Position im Windschatten des Tabellenführers festigen, geraten die anderen in immer größere Not.
Die Mannen aus dem Bremer Umland haben im Verlauf der Saison erst eine Partie verloren, und sie agierten auch gegen Hamburg mit der gewohnten Solidität. Zu den sechs Unentschieden gesellten sich zwei gewonnene Partien von Markus Robert und Robert Zelcic.
Der zweite Kantersieg für den Tabellenführer an diesem Doppelspieltag. Dass Shakhriyar Mamedyarov mit einer schnellen Punkteteilung aus der Reihe tanzte, sollte sich als großer Gewinn für das Publikum entpuppen. „Shakh“ gesellte sich zu Ilja Zaragatski in den Livestream und teilte dort das Wissen und die Erfahrungen von jemandem, der mit 2820 Elo auf Rang zwei der Weltrangliste stand.
Zum Seminar über das London-System kam eines über Skandinavisch, dazu Einblick in das Wesen einer anderen einstigen Nummer zwei der Welt. Mamedyarov erzählte von Viktor Kortschnoi und warum er ihn verehrt.
Die Zuschauenden verpassten wenig, zu glatt lief dieser Kampf für den Meisterschaftsfavoriten. Nur Georg Meier strauchelte, nachdem er sich sehenden Auges für einen antipositionellen Zug entschieden hatte – und dann feststellen musste, dass die geplante dynamische Rechtfertigung desselben ein taktisches Loch hat. Ein solches hatte auch der vermeintliche taktische Ausknipser, den Pawel Jaracz auf der anderen Seite Brettes bald ansetzte. Das Matt, das er gesehen hatte, war ein Gespenst. Mehr als Dauerschach war nicht drin.
Es begann mit einem schnellen Remis am ersten Brett, gefolgt von einer Eröffnungskatastrophe am achten. Damit waren die Weichen für einen Deizisauer Sieg gestellt, der trotz eines zwischenzeitlichen 2:2 und des knappen Endergebnisses nicht wackelte.
Deizisau bleibt neben Viernheim die andere verlustpunktfreie Mannschaft und hat doch die tragische Figur des Wochenendes in seinen Reihen. Beim Stande von 4,5:2,5 für seine Mannschaft spielte noch Dmitrij Kollars – und erlitt am Ende einer lange ausgeglichenen Partie gegen Martin Krämer die zweite Niederlage des Wochenendes, seine ersten beiden in dieser Saison.
Richtig gut für den FCB lief nur die Partie, die am ehesten zuende war: MVL vs. Niclas Huschenbeth. Gegen den in Berlin lebenden Bayern war dem Franzosen sein Italiener missraten. Vachier-Lagrave schickte ausgangs der Eröffnung ein Remisangebot übers Brett, das der aus einer Distanz von 120 Elo agierende Huschenbeth annahm.
Wie so häufig waren es die unteren Bretter des Titelverteidigers, die den Unterschied ausmachen, während die oberen nichts anbrennen lassen. Wie am Vortag zeichnete sich schnell ab, dass Arkadij Naiditsch und Sergei Movsesian am siebten und achten Brett voll punkten würden. Wenig später kam am sechsten noch ein Zähler von Michael Adams dazu, damit stand es 4,5:1,5, und das Match war entschieden. Der FC Bayern des Schachs bleibt nach dem Sieg über den richtigen FC Bayern auf Tuchfühlung mit Viernheim – und gleichauf mit den hartnäckigen Kirchweyhern.
Auch in Wijk an Zee hatte ein Baden-Badener einen guten Tag. Alexander Donchenko knöpfte dank gelungener Eröffnungsvorbereitung dem Weltmeister Ding Liren mit Schwarz ein ungefährdetes Remis ab.
Die Eichhörnchen von der Münchner Akademie knabbern weiter Punkte. Das vierte Unentschieden der Saison gelang trotz eines frühen Rückstands. Gerald Hertneck, der sich am Vortag ein Remis gegen Michael Adams erkämpft hatte, unterlief im 19. Zug ein Fehler, der ihn vor die unangenehme Wahl stellte, entweder Material zu geben oder sich die Königsstellung ruinieren zu lassen.
Die Ötigheimer Führung hielt bis zum Stand von 3,5:2,5, dann gelang am achten Brett Frank Zeller der Ausgleich. Es oblag beim Stand von 3,5:3,5 Gudmundur Kjartansson, den Punkt zu sichern. Dafür musste er ein Springerendspiel mit Minusbauer halten, was ihm sicher gelang.
Für den prächtig in die Saison gestarteten, nominell favorisierten Mitaufsteiger aus Ötigheim wird es sich eher nach einem verlorenen Punkt anfühlen. Das wird insbesondere Christian Bauer bestätigen, dem ein gewonnenes Turmendspiel entglitt.