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Doppelheimspiel in München

Die Fans der Münchner Schach-Bundesligisten haben am Samstag (14 Uhr) und Sonntag (10 Uhr) eine äußerst ungewöhnliche Qual der Wahl: Nicht nur, dass mit dem SC 1836 und Bayern München weiterhin zwei Erstligisten im Oberhaus vertreten sind – erstmals sind die beiden anicht Reisepartner an den Doppelspieltagen. So ergibt sich die einzigartige Konstellation, dass beide Klubs gleichzeitig Heimrecht in einer Stadt haben und München zum Schach-Mekka machen.

Gut möglich, dass der im westuktainischen Lwiw lebende Wassili Iwantschuk an diesem Wochenende in München für Aufsteiger Remagen-Sinzig am Brett sitzt. | Foto: Schachfestival Sitges

Wer mit dem SC Viernheim einen Meisteranwärter sehen will, sollte ins Schreiner C3 Tagungscenter (Mittenheimer Str. 62, Oberschleißheim) pilgern. „Da gab ich die Devise aus: Ein paar Remis wären schon schön“, legt Michael Reiß als Macher des Münchner SC 1836 die Latte beim Saisonstart sehr niedrig.

Die ersten Punkte im Kampf um den anvisierten „Klassenerhalt“ sollen dafür für den MSC 1836 am Sonntagmorgen gegen den SC Remagen-Sinzig folgen. Der ist ebenfalls einer von vier Aufsteigern wie der SV Deggendorf, der in umgekehrter Reihenfolge auf Remagen-Sinzig und Viernheim trifft.

Ganz so einfach wird die Aufgaben allerdings nicht: Fan-Liebling Wassili Iwantschuk hat seine guten Kontakte nach Remagen behalten und steht vor einem Comeback in der Bundesliga. Das hatte er unlängst auch in einem Interview mit dem Schach-Magazin 64 angedeutet. Der Ukrainer ist eine Attraktion und die Fahrt nach Oberschleißheim wert.

Neuzugang Amin Tabatabei beim Europacup im Trikot des FC Bayern München. | Foto: Fiona Steil-Antoni/ECCC 2022
Neuzugang Amin Tabatabei beim Europacup im Trikot des FC Bayern München. | Foto: Fiona Steil-Antoni/ECCC 2022

Wer dem bisherigen MSC-Topspieler Parham Maghsoodloo und seinem Landsmann Amin Tatatabaei zuschauen möchte, muss in die Münchner Bayern LB-Sportarena (Osterwaldstraße 76) gehen. Die Bayern haben die Top-Iraner vom Lokalrivalen abgeworben. „Sie sind beide super Spitzenspieler. Bei den Bayern bekommen sie mehr Geld“, mutmaßt Reiß mit Blick auf den finanzstärkeren Vorjahres-Tabellenzehnten und bedauert, dass beim letzten Bundesliga-Finale nicht mehr genügend Penunzen im Portemonnaie waren, um beide Asse spielen zu lassen, obwohl das Duo gerne gemeinsam angetreten wäre, wie der MSC-Boss weiß.

Jörg Wengler sieht die Transfers naturgemäß weniger dramatisch: „Wir sind ins Gespräch gekommen. Maghsoodloo und Tatatabaei zeigten Interesse.“  Mit den beiden Großmeistern, die laut Wengler „gut in unser junges, ehrgeiziges Team passen“, ist der FC Bayern noch gefährlicher als in den Vorjahren, in denen selbst Serienmeister OSG Baden-Baden einmal geschlagen wurde.

Mit seinem Saisonziel  setzt der FCB-Abteilungsleiter seine Schützlinge nicht zu sehr unter Druck: „Wir wollen weiterhin ins gesicherte Mittelfeld.“ Immerhin soll sein Klub den einen oder anderen Platz zu rang zehn gutmachen und so als Münchner Nummer eins vor dem MSC 1836 landen. Zunächst geht es jedoch beim Rundenauftakt gegen die SF Berlin. Dieses Mal soll Wenglers Truppe besser gegen die Hauptstädter starten als letzte Saison. Gegen den USV TU Dresden sind die Bayern am Sonntagmorgen favorisiert, so die iranisch-spanische Armada im Kader steht, auch wenn Wengler warnt: „Die Dresdner sind keine schlechte Mannschaft.“

Die SF Deizisau, neuer Reisepartner der Bayern, haben zwar den deutschen Superstar Vincent Keymer verloren, trotzdem sind sie als Farmteam der OSG Baden-Baden als dritter Titelanwärter zu beachten und auch in ihren zwei Duellen in der Bayern LB-Sportarena favorisiert.

Der MSC 1836 ersetzte die zwei Iraner zwar nicht ganz adäquat, aber mit Großmeister Michael Prusikin, der in der Nähe von München wohnt, und Leonardo Costa hat Reiß zwei Einheimische an den Verein gebunden, die immer spielen können – und vor allem auch weniger Honorar- und Reisekosten verursachen als die iranischen Asse. Angesichts der dortigen Proteste und der „weltpolitisch unübersichtlichen Lage“ ist der MSC-Chef auch ganz froh, sich nicht immer über Kontakte nach Teheran um die mühselige Ausreise der Großmeister kümmern zu müssen.

Zudem sorgen die Neuzugänge dafür, dass im „Punktekatalog, den es ab nächste Saison zu erfüllen gilt, wir näher an die elf Zähler herankommen“, verweist Reiß darauf, dass es für starke Einheimische einen Punkt gibt. Die spielerischen Einbußen sieht er gelassen: „Wir werden sowieso nicht deutscher Meister. Auch, wenn es keine leichten Gegner in dieser Saison mehr gibt: Der Klassenerhalt ist unser einziges Ziel!“

Ein gemeinsames Event kam schon allein deshalb in München nicht in Betracht, „weil es kein geeignetes Spiellokal zur Verfügung steht“, betont Wengler. Der FC Bayern kann nicht einmal seine zweite, dritte und vierte Mannschaft zusammen mit dem Bundesliga-Oktett spielen lassen, weil es dafür nicht genügend Raum gibt.

Beim FCB mussten der Schweizer Noel Studer und Stefan Schneider für die Iraner aus dem 20er-Kader weichen. Der Schwede spielte in der vergangenen Saison ohnhin nur zweimal, Studer gar nie – „er hat sich in der Pandemie beruflich umorientiert“, erläutert Wengler. In der hochpreisigen Schweiz ist das Leben eines Schach-Profis zu ungewiss. Fern der absoluten Weltklasse lässt sich mit dem kargen Einkommen eines Schachspielers höchstens in Osteuropa oder in der Dritten Welt gut leben.

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