Saisonstart in München: "Pawel ist in Sicherheit"
Neun Ukrainer sind in der Schachbundesliga gemeldet, außerdem neun russische Großmeister. Ob einer oder gar mehrere zum Saisonauftakt am kommenden Woche spielen, erscheint fraglich, wenn nicht sehr unwahrscheinlich. Unter anderem gilt das für den ukrainischen Großmeister Pawel Eljanow aus dem Kader des Münchener SC 1836, der jetzt nach einem Vierteljahrhundert in die Schachbundesliga zurückgekehrt ist. Eine Vorschau auf den ersten Spieltag aus Münchner Perspektive, auch aus der des FC Bayern:
Pavel Eljanow (Münchener SC 1836) beim Grand Swiss der FIDE in Riga. | Foto: Anna Shtourman/FIDE
Die Rückkehr nach einem Vierteljahrhundert in die Schach-Bundesliga hat sich Michael Reiß unproblematischer vorgestellt. Grund zum Jubel sieht der Vorsitzende des Münchener SC 1836 vor dem Auftakt im Oberhaus am Samstag nicht – obwohl es ein Triumph für ihn sein könnte.
Der einstige deutsche Rekordmeister rauschte ab 1996 in die Tiefe: Im neuen Jahrtausend kam der MSC mit nur noch knapp 15 Mitgliedern in der B-Klasse an – lediglich C-, D- und E-Klasse für Anfänger sind darunter angesiedelt. „Alle Zeichen waren auf Untergang gestellt“, konstatiert Großmeister Gerald Hertneck im Rückblick, der Anfang der 90er Jahre den Club noch zweimal zu Platz drei in der Bundesliga geführt hatte. Doch dann übernahm Reiß und führte den drittältesten deutschen Schachclub zu altem Glanz. Der 63-Jährige ist bis heute Jugendtrainer und verstärkte die erste Mannschaft sukzessive – bis in der vergangenen Saison als Zweitliga-Meister der Aufstieg in die Bundesliga gelang.
Dem ersten Zug am Samstag um 14 Uhr im Kulturhaus Milbertshofen sieht der sich bescheidende MSC-Macher indes mit getrübter Freude entgegen: Am vierten Brett sollte Pawel Eljanow auflaufen. Ob der Großmeister aus der Ukraine am Wochenende spielen kann, steht in den Sternen. Reiß sagt nur so viel: „Ich habe Kontakt mit ihm über Whatsapp. Momentan ist er in Sicherheit.“ Doch das war zum Wochenbeginn. In der gesamten Bundesliga spielen neun Ukrainer, davon jeweils drei bei Titelanwärter Viernheim und Werder Bremen. Auch die neun russischen Großmeister, die sich über die Vereine verteilen, dürften wegen des Flug-Boykotts ebenso kaum auflaufen.
Das betrifft die drei anderen Klubs, die in Milbertshofen dabei sind, nicht, setzen sie doch wie Gastgeber Bayern München überwiegend auf deutsches und westeuropäisches Personal. Die Bayern wollen gleich die ersten Punkte einfahren. „Die Chancen stehen nicht schlecht“, meint Kapitän Jörg Wengler vor dem ersten Match gegen die SF Berlin, das er als „offen“ einschätzt. Die Hauptstädter lagen vergangene Saison bei jeweils 15:15 Punkte hauchdünn vor den Münchnern als Tabellensiebter. Die Bayern verstärkten sich jedoch mit zwei spanischen Großmeistern, Jaime Santos Latasa und Rosell Alvar Alonso, an den Positionen zwei und sechs. Zudem gesellt sich der Schweizer Oliver Kurmann zum Kader, in der der einheimische Großmeister Michael Bezold wieder nach einer Schaffenspause aufsteigt.
Mit dem Team, das nun elf Großmeister umfasst, könnten die Bayern alle acht Bretter durchweg mit diesen besetzen. Das sollte spätestens am Sonntag um 10 Uhr zum ersten Saisonsieg reichen. Aufsteiger König Tegel ist klarer Außenseiter.
Das gilt für die Fahrstuhlmannschaft aus Berlin auch am Samstag. Reiß „will zwar schon was holen gegen Tegel“, zeigt jedoch „Respekt vor jedem Spiel und jedem Gegner“. Die „starken“ SF Berlin schätzt er am Sonntag höher ein. Die Aussichten hängen dabei vom Kader des MSC 1836 ab. „Wir können nicht immer alle Spieler mit über 2600 Elo ans Brett bringen“, weiß der rührige Vorsitzende beim Blick auf seine sieben größten Asse mit hoher Elo-Weltranglistenzahl. Immerhin dürfen hinter dem englischen Spitzenspieler Gawain Jones auch die zwei Iraner Parham Maghsoodloo und Amin Tabatabaei seit 1. März einreisen. „Zuletzt gab es Probleme, weil sie falsch geimpft waren“, wird nun deren Impfstoff mittlerweile hierzulande anerkannt.
Elf Großmeister haben somit die 1836er ebenso im Kader zur Verfügung. Der Klassenerhalt sollte daher beim zweiten Münchner Bundesliga-Verein kein Problem darstellen. In der Landeshauptstadt dürfen sich die Schach-Fans auch in den nächsten zwei Monaten jeweils auf Heimspiele der beiden Mannschaften freuen. Sollte gar keine zentrale Endrunde in Berlin stattfinden, gäbe es sogar ein viertes Schach-Wochenende in München.