Eljanows Sahnetag, Reiß' Twitter-Erfolg (Bericht aus München)
Der FC Bayern kassierte zum Auftakt eine überraschende 3,5:4,5-Heimniederlage gegen die SF Berlin. Dank eines 5:3 über den USV TU Dresden hielt sich der Schaden aber tags darauf in Grenzen. Der Münchener Schachclub (MSC) 1836 sieht sich mit seinen 3:3 Punkten im Soll. Im vorgezogenen Match am Freitag gegen Reisepartner SV Deggendorf hielt der Traditionsclub den Aufsteiger mit 5,5:2,5 souverän in Schach. Das 3:5 gegen Titelanwärter SC Viernheim wertet MSC-Chef Michael Reiß als „Achtungserfolg an den vorderen Brettern“, denn Pawel Eljanow und Gawain Jones siegten gegen die Ukrainer Juri Kriworuschko und Anton Korobow.
Pawel Eljanow beim Grand Swiss in RIga. | Foto: Anna Shtourman/FIDE
Dass man an den „hinteren Brettern keinen Sahnetag ewischte und noch Arbeit vor sich hat“, wie es Reiß formulierte, zeigte sich auch beim 4:4 gegen Aufsteiger Remagen Sinzig. Doch Eljanow schlug erneut einen ukrainischen Landsmann – und diesmal sogar die Legende Wassili Iwantschuk.
Der Liebling der Fans war nach der langen Pause wegen des Kriegs deutlich mehr von der Rolle als Eljanow und verlor sang- und klanglos. An der Zuneigung der Fans für „Chuky“ änderte das Drama sicher nichts, eher das Gegenteil dürfte der Fall sein – ein Tweet von Reiß, der den ehemaligen Weltranglistenzweiten bei der Partieanalyse tags zuvor nach dem Remis gegen den Inder S. L. Narayanan zeigt, ging viral durch die Decke. Binnen kürzester Zeit hatte er „15.000 Zugriffe, so etwas habe ich noch nie erlebt. 4.000 Zugriffe war bisher mein Rekord“, freute sich Reiß, dass sein Handy ununterbrochen bimmelte – und ein Retweet des Deggendorfer Spitzenspielers Naranyan puschte die Zahlen in Indien danach noch weiter.
Trotz des blitzschnellen Siegs von Eljanow musste der MSC 1836 am Ende froh sein, dass Michael Prusikin gegen den Belgier Alexandre Dgebuadze zum 4:4 ausglich. Der Großmeister machte damit die schwachen Vorstellungen von Leonardo Costa und Maximilian Berchtenbreiter wett, die in drei Partien jeweils nur ein Remis erreichten und auch gegen Remagen Sinzig unterlagen.
Den Erfolg über Deggendorf bewertete Reiß nicht über: „Die Aufsteiger sind dieses Jahr stark. Das zeigte Deggendorf gegen Viernheim, die unser Reisepartner beim 3,5:4,5 am Rande einer Niederlage hatte“, pries der MSC-Boss das bayrische Team. „Gegen Deggendorf hatten wir Glück, dass ein Teil der Mannschaft mit dem Auto anreiste und entsprechend müde war“, relativierte der 1836-Macher die Siege von Ivan Saric (gegen Aleksander Deltschew), Sasa Martinovic (Dalibor Stojanvic) und Lev Yankelevich (über Gleb Dudin).
Wie Iwantschuk unterlief auch Parham Maghsoodloo ein Fehlstart. Der iranische Weltklasse-Großmeister unterlag am Samstag überraschend Jan-Christian Schröder und ebnete so den Weg für den hauchdünnen 4,5:3,5-Erfolg der SF Berlin über den FC Bayern. Zudem war Altmeister Zoltan Ribli von der Rolle. Der einstige ungarische Weltklassespieler leitete mit seiner fürchterlichen Auftaktschlappe in nur 20 Zügen gegen Emil Schmidek die Niederlage gegen Berlin ein. So half dem Gastgeber auch der Erfolg von Amin Tabatabaei, der zusammen mit Landsmann Maghsoodloo vom Lokalrivalen MSC 1836 gekommen war, nichts. Die Niederlage von Marco Baldauf blieb bei fünf Remis die einzige der Berliner.
Tabatabaei unterlag am Sonntag zwar dem tschechischen Großmeister Peter Michalik – gegen den USV TU Dresden fiel das jedoch weniger ins Gewicht: Maghsoodloo glich den Patzer aus, bezwang den deutschen Nationalspieler Liviu-Dieter Nisipeanu und sorgte mit Valentin Dragnev, der Jens Maiwald schlug, und Oliver Kurmann zusammen für den 5:3-Sieg der Bayern. Während Kurmann seine Pflichtaufgabe gegen Gengchun Wong (2195 Elo) efüllte, wirkte Ribli völlig verunsichert. Das FCB-Urgestein mit 2526 Elo vermied gegen Ruben Lutz jegliches weiteres Risiko. Der nominell weit unterlegene Amateur (2098 Elo) griff natürlich gerne zu, als ein Remisangebot der Legende in ausgeglichener Stellung im 21. Zug kam.