Hamburger Debütanten und ein Berliner Remis: der zweite Spieltag
Es gibt Wichtigeres als Schach. Die auch am zweiten Spieltag zwei freien ukrainischen Bretter im Bremer Weserstadion zeigen das, und ein Kurzremis 770 Autobahnkilometer weiter südlich zeigt das auch: Wer daheim neun geflüchtete Ukrainerinnen beherbergt, der ist in der Bundesliga natürlich entschuldigt.
Mit zwei Punkten aus zwei Partien beendete Frederik Svane (Foto beim Schachgipfel des DSB) sein erstes Bundesligawochenende für Hamburg. Die Live-Elo des U16-Weltmeisters ist damit erstmals über 2500 geklettert. | Foto: Schachbund
BCA Augsburg ½ - 7½ SG Solingen
1 IM Bräuer 0 : 1 GM van Foreest
2 GM Schmittdiel ½ : ½ GM Ragger
3 FM Costa 0 : 1 GM L'Ami
4 IM Rupprecht 0:1 GM Warmerdam
5 FM Lipok 0 : 1 GM Andersen
6 Fauth 0 : 1 GM Van Wely
7 FM Mueller 0 : 1 GM Handke
8 Pitl 0 : 1 IM Wegerle
Hätte nicht Eckhard Schmittdiel der österreichischen Nummer eins Markus Ragger einen halben Punkt abgeknöpft, es hätte für die bei weitem nicht in Bestbesetzung angetretenen Augsburger gegen die Solinger Großmeistertruppe die Höchststrafe gesetzt. Augsburg steht vor einer schwierigen Saison, hat sich aber an diesem Wochenende um die Talentförderung verdient gemacht.
Das gilt speziell für den Wunderknaben Leonardo Costa (14), einer der großen Hoffnungsträger des deutschen Schachs in den Jahrgängen hinter Vincent Keymer. Costa durfte jetzt für Augsburg zwei Mal hintereinander Höhenluft in der Bundesliga schnuppern: zwei Einsätze am dritten Brett, jeweils gegen Großmeister aus der 2600-Klasse. Unmittelbar endete das zwar mit zwei Nullen, aber mittelfristig wird der junge Münchner von solchen Partien gegen stärkste Konkurrenz profitieren.
USV TU Dresden 2½ - 5½ SC Viernheim
1 GM Bartel ½ : ½ GM Amin
2 GM Pechac ½ : ½ GM Fedorchuk
3 IM Vogel 0 : 1 GM Braun
4 IM Druska ½ : ½ GM Wagner
5 IM Neef ½ : ½ GM Maze
6 GM Maiwald 0 : 1 GM Libiszewski
7 FM Möhn ½ : ½ IM Beikert
8 Richter 0 : 1 WGM Heinemann
Kein guter Start für die Dresdner in die Saison, ein umso besserer für den SC Viernheim, der vor heimischem Publikum sogar auf den live kommentierenden GM Ilja Zaragtski verzichten konnte und das Wochenende dennoch mit zwei Siegen beendete.
Zufrieden wird speziell die neue "Miss Bundesliga" Josefine Heinemann sein, die zuletzt nach einem kleinen Leistungsloch von der Nummer zwei aus den deutschen Top 10 der Frauen gefallen war, aber in der Bundesliga ungeschlagen bleibt. Mit zwei Siegen trug Heinemann kräftig dazu bei, dass ihre Viernheimer nach dem ersten Bundesligawochenende der neuen Saison ganz oben stehen.
Den Schönheitspreis des zweiten Spieltags verdiente sich allerdings Arik Braun, dem in der Diagrammstellung nicht entging, wie sich unter Figurenopfer der gegnerische König ins Freie zerren und in die Bredouille bringen lässt.
SF Berlin 4½ - 3½ Münchener Schachclub 1836
1 GM Piorun ½ : ½ GM Jones
2 GM Schröder ½ : ½ GM Saric
3 GM Krämer 0 : 1 GM Martinovic
4 GM Gumularz 1 : 0 IM Horvath
5 GM Baldauf ½ : ½ IM Berchtenbreiter
6 GM Jakubowski ½ : ½ IM Yankelevich
7 FM Hess ½ : ½ IM Fröwis
8 IM Seyb 1 : 0 IM Radovanovic
Die Diagrammstellung kennen wir natürlich, in erster Linie aus Online-Schnellpartien der Schachfreunde Supergroßmeister, wenn diese gerade nicht kämpfen wollen. Aber wer nun glaubt, die Schachfreunde Berchtenbreiter und Baldauf hätten sich mit der Berliner Remisvariante einen freien Sonntag nehmen wollen, der liegt falsch. In diesem Fall repräsentiert die Diagrammstellung den Umstand, dass es Wichtigeres gibt als Schach.
Maximilian Berchtenbreiters Gattin Lyuba Yelina stammt aus der Ukraine. Die beiden haben jetzt neun Frauen aus der Ukraine, Verwandte und Freunde, bei sich aufgenommen. Anstatt den Sonntag am Brett zu verbringen, wollte Berchtenbreiter seine Zeit lieber seinen Gästen widmen. Auf der anderen Seite des Brettes und in Kenntnis der Situation war Marco Baldauf damit einverstanden, ein schnelles Remis zu spielen.
SK König Tegel 2 - 6 FC Bayern München
1 GM Stern 0 : 1 GM Santos Latasa Jaime
2 GM Rabiega ½ : ½ GM Bogner
3 GM Richter ½ : ½ GM Alonso Rosell
4 IM Brüdigam 0 : 1 GM Georgiadis
5 IM Frübing 0 : 1 GM Dragnev
6 FM Rietze 1 : 0 IM Johansson
7 CM Dimitrijeski 0 : 1 IM Lokander
8 Acikel 0 : 1 IM Fedorovsky
Der FC Bayern, ein Meisterschaftskandidat? Nein, gewiss nicht. Aber die Münchner haben mit vier Punkten am ersten Wochenende der neuen Saison ihren Anspruch untermauert, sich auf sicherem Abstand zur gefährdeten Zone zu bewegen. Anders als der wichtige Auftaktsieg gegen die SF Berlin gehört der Erfolg über den SK König Tegel in die Kategorie Pflichtsieg.
Mit dem spanischen Großmeister Jaime Santos Latasa hat der FC Bayern offenbar einen starken Neuzugang in seinen Reihen. Seine exzellenten Ergebnisse im internationalen Turnierzirkus (auch die Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaften am Tegernsee hat Latasa gewonnen) bestätigt der Spanier jetzt in der stärksten Liga der Welt. Mit zwei Siegen zum Auftakt hat er sich trefflich eingeführt.
Aachener SV 1½ - 6½ Hamburger SK
1 IM Koch 0 : 1 GM Svane
2 IM Piceu 0 : 1 GM Papp
3 IM Lemmers ½ : ½ GM Engel
4 FM Klein ½ : ½ GM Kempinski
5 FM Begnis 0 : 1 GM Ernst
6 IM Coenen 0 : 1 IM Svane
7 FM Meessen 0 : 1 GM Heinemann
8 Lamby ½ : ½ GM Rogozenco
Nach einem schwer erkämpften Sieg über Düsseldorf zum Auftakt fiel dem Hamburger SK die Zweitrundenbegegnung gegen Außenseiter Aachen deutlich leichter. Zu keinem Zeitpunkt waren die Aachener in der Nähe eines Punktgewinns gegen die nominell deutlich überlegenen Hamburger.
Neuzugang Frederik Svane sicherte sich den zweiten Punkt in seiner zweiten Bundesligapartie. Nach diesem Wochenende steht die Live-Elozahl des jungen Hamburger Lübeckers (oder andersherum?) jetzt erstmals über 2500.
Düsseldorfer SK 2 - 6 SK Doppelbauer Turm Kiel
1 GM Bánusz ½ : ½ GM Lupulescu
2 GM Tan 0 : 1 GM Salgado Lopez
3 GM Orlov ½ : ½ GM Khenkin
4 GM Berelowitsch ½ : ½ GM Bjerre
5 GM Levin 0 : 1 GM Dziuba
6 IM Sorensen ½ : ½ IM Gavrilescu
7 IM Stark 0:1 GM Meshkovs
8 FM Harff 0 : 1 IM Barseghyan
Zwei hart ausgefochtene Kämpfe über die Distanz, aber letztlich doch zwei Niederlagen. Aufsteiger Düsseldorf wird vor dem Ausflug nach Kiel nicht damit gerechnet haben durchzupunkten, aber bestimmt auf den einen oder anderen Zähler spekuliert. Aber die Punkte gegen den Abstieg müssen die Düsseldorfer jetzt in späteren Runden holen.
Ganz anders Gastgeber Kiel. Zwei Matches, zwei Siege, und das nicht einmal in Bestbesetzung. Für den Kieler Glanzzug des zweiten Spieltags war Ivan Salgado Lopez zuständig, 36...Se5!!, der wunderbare Ausheber gegen Düsseldorfs Chessemy-Open-Sieger Justin Tan, den einzigen Australier in der deutschen Bundesliga.
OSG Baden-Baden 5 - 3 SV Mülheim Nord
1 GM Adams ½ : ½ GM Nguyen
2 GM Wojtaszek 1 : 0 IM Vrolijk
3 GM Kasimdzhanov ½ : ½ IM Zelbel
4 GM Naiditsch ½ : ½ IM Buckels
5 GM Gustafsson ½ : ½ FM Lenaerts
6 GM Meier 1 : 0 FM van Osch
7 GM Movsesian 0 : 1 FM Rezazadeh
8 GM Döttling 1 : 0 Hönig
Ernsthaft in Gefahr war der Serienmeister nicht, aber der Mannschaftskampf gegen Mülheim-Nord wurde allemal knapper als erwartet. Die Baden-Badener mit Neuzugang Georg Meier, einziger Urugayer in der Bundesliga, vermochten ihre nominelle Überlegenheit nicht vollständig auszuspielen. Stellvertretend dafür steht die Partie von Jan Gustafsson, den sein Gegner Lennert Lenaerts in dessen Chessable-Marshall-Repertoire testen wollte - und im 15. Zug eine Abweichung von eben diesem Repertoire vorgesetzt bekam. Gustafsson bekam prächtiges Spiel, schien einem Sieg entgegenzusegeln, aber letztlich landeten die beiden in einem Endspiel, das Weiß hielt.
Die Überraschung des Tages gelang FM Amir Rezazadeh gegen den fast 300 Elo höher bewerteten Sergej Movsesian. In einem trickreichen Endspiel Springer plus Bauer versus drei Bauern kam Movsesian und noch mehr sein Springer vom rechten Pfad ab, und die Chose, die unentschieden hätte enden sollen, endete stattdessen mit einem vollen Punkt für den Außenseiter.
Schachfreunde Deizisau 3 - 3 SV Werder Bremen
1 GM Keymer ½ : ½ GM McShane
2 GM Blübaum * : * GM Areshchenko
3 GM Kamsky * : * GM Efimenko
4 GM Kollars ½ : ½ GM Edouard
5 GM Kozul ½ : ½ GM Babula
6 GM Heimann ½ : ½ GM Pruijssers
7 GM Dautov 1 : 0 IM Grigorian
8 IM Köllner 0 : 1 IM Markgraf
Gut möglich, dass Dmitrij Kollars eine unruhige Nacht verbringt. Als er das Remisangebot von Romain Edouard annahm, dachten beide Spieler, die Lage sei etwa ausgeglichen. Eine Analyse mit Computerhilfe offenbarte allerdings deutlichen Vorteil für den in Bremen lebenden Deizisauer, der im Weserstadion eine Art Heimspiel hatte.
Den vollen Punkt hätte der Vizemeister gut gebrauchen können. Angesichts von vier Remisen an den ersten vier Brettern, darunter ein wilder Sizilianer von Vincent Keymer gegen Luke McShane, können sich die Deizisauer beim einstigen Nationalspieler Rustem Dautov bedanken, der gegen Spartak Grigorian seine alte Klasse aufblitzen ließ und einen sauberen Sieg einfuhr. Dafür gab es zumindest einen Mannschaftspunkt, nachdem sich Ruben Gideon Köllner am achten/sechsten Brett verkombiniert hatte.