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Hätte, hätte...: Baden-Baden gewinnt den knappen Showdown

Die erste Mannschaft der Ooser Schachgesellschaft Baden-Baden steht vor der Titelverteidigung. Nach einem 4,5:3,5 über den punktgleichen Konkurrenten SV Hockenheim würde den Baden-Badenern am heutigen Sonntag ein Unentschieden gegen den Tabellen-13. Speyer-Schwegenheim reichen, um den ersten Platz und die Meisterschaft zu verteidigen. Hockenheim muss, um seine kleine Chance zu wahren, den Tabellendritten Deizisau möglichst hoch schlagen und dann hoffen, dass Speyer-Schwegenheim eine Sensation gelingt.

Die Baden-Badener Doppelspitze (v.r.) Maxime Vachier-Lagrave und Viswanathan Anand vermochte gegen ihr Hockenheimer Pendant Ernesto Inarkiev und Ruslan Ponomariov (nicht im Bild) wenig auszurichten. | Foto: Johannes Winkler

Obwohl die Baden-Badener im Schnitt pro Brett fast 100 Elo-Punkte Vorteil hatten, verlief das Match zwischen den beiden Tabellenführern ausgeglichen. Eine Punkteteilung reihte sich an die nächste, und in zumindest einem dieser Fälle mag es mehr der Respekt vor dem Gegner als die Stellung auf dem Brett gewesen sein, die den Hockenheimer bewog, die Friedensofferte anzunehmen. Baden-Badens Richard Rapport hätte sich nicht beschweren können, hätte Arik Braun weitergespielt und versucht, mit Schwarz den ganzen Punkt zu holen.

Weil auch die mächtige Baden-Badener Doppelspitze Maxime Vachier-Lagrave/Viswanathan Anand gegen ihr Hockenheimer Pendant Ernesto Inarkiev/Ruslan Ponomariov wenig auszurichten vermochte, hing es schließlich beim Stand von 3:3 an zwei noch laufenden Partien. Und es offenbarte sich, dass dieses Match auch andersherum hätte ausgehen können.

Richard Rapport (links) hätte sich nicht beschweren können, wäre Arik Braun der Zugwiederholung ausgewichen. | Foto: Johannes Winkler
Richard Rapport (Mitte) hätte sich nicht beschweren können, wäre Arik Braun der Zugwiederholung ausgewichen. Radoslaw Wojtaszek (r.) wird froh gewesen sein, dass er gegen Ivan Saric (l.) mit einem halben Punkt davonkam. | Foto: Johannes Winkler

Rainer Buhmann war der einzige aus dem Hockenheimer Oktett gewesen, der mit Schwarz in arge Schwierigkeiten geraten war. Aber trotz seiner obligatorischen Zeitnot, trotz anhaltenden gegnerischen Drucks und letztlich trotz zweier Minusbauern hatte er sich gegen Etienne Bacrot ein Endspiel erkämpft, in dem es für den Franzosen kein Weiterkommen mehr gab, kein Überwinden des schwarzen Gegenspiels. Der halbe Punkt war ganz nah, und Buhmann hätte zu einem der beiden Hockenheimer Helden des Tages werden können. 

Rainer Buhmann (r.) hätte zu einem der beiden Hockenheimer Helden werden können. Es kam anders.
Rainer Buhmann (r.) hätte zu einem der beiden Hockenheimer Helden werden können. Es kam anders. | Foto: Johannes Winkler

Während Buhmann ums Überleben kämpfte, machte drei Bretter weiter sein Mannschaftskamerad Ivan Saric von Beginn an Druck gegen Radoslaw Wojtaszek. In einer eher statischen spanischen Struktur verwaltete Saric einen stabilen Vorteil, der sich schließlich in Form eines Mehrbauern materialisierte. Ganz am Ende, nach 71 Zügen, war es sogar eine Mehrfigur. Aber da stand ein bauernloses Endspiel Dame+Springer versus Dame auf dem Brett, und Saric versuchte gar nicht erst das hoffnungslose Unterfangen, aus dieser ausgebluteten Konstellation einen vollen Punkt zu quetschen.

Hätte Saric seine vorteilhafte Partie gewonnen, hätte Buhmann sein Endspiel gehalten, dieser Bericht hätte, siehe oben, so angefangen: „Die erste Mannschaft des SV Hockenheim steht vor dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft.“ Hätte, hätte. Es kam anders.

Saric, das wissen wir schon, kam über einen halben Punkt nicht hinaus. Aber auch ein 4:4 hätte ja die Meisterschaftschance zumindest am Leben gehalten. Dann widerfuhr Rainer Buhmann im 46. Zug dieses Missgeschick:

Stellung nach 46.Ta7: Kein Weiterkommen. Weiß ist an die Verteidigung seines Springers am Rande gebunden. Zieht der Springer, fällt der b-Bauer, und Schwarz wird das Endspiel 2 vs 1 Bauern am Königsflügel leicht halten. Aber nach 46...Lb5?? 47.Tb7 stand plötzlich wieder Weiß auf Gewinn. Es ergibt sich ein Turmendspiel mit zwei Mehrbauern, das Baden-Badens Etienne Bacrot zwölf Züge später den entscheidenden vollen Punkt brachte. | Diagramm via chess24
Stellung nach 46.Ta7: Kein Weiterkommen. Weiß ist an die Verteidigung seines Springers am Rande gebunden. Zieht der Springer, fällt der b-Bauer, und Schwarz wird das Endspiel 2 vs 1 Bauern am Königsflügel leicht halten. Aber nach 46...Lb5?? 47.Tb7 stand plötzlich wieder Weiß auf Gewinn. Es ergibt sich ein Turmendspiel mit zwei Mehrbauern, das Baden-Badens Etienne Bacrot zwölf Züge später den entscheidenden vollen Punkt brachte. | Diagramm via chess24

Zwölf Züge später war es vorbei. 4,5:3,5 für Baden-Baden, die somit zwei Punkte und einen Brettpunkt vor Hockenheim liegen und zudem in der 15. und letzten Runde den deutlich leichteren Gegner haben. Die Möglichkeit, dass am heutigen Sonntag gegen 15 Uhr Baden-Baden nicht als Deutscher Meister 2019-21 feststeht, ist nur eine rechnerische. 
 

Nation
POL
Titel
GM
Elo
2671
DWZ
2649
Punkte
6.5
Partien
9
Nation
FRA
Titel
GM
Elo
2686
DWZ
2662
Punkte
6
Partien
8
Nation
GER
Titel
GM
Elo
2561
DWZ
2538
Punkte
1
Partien
2

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