Sarins Super-Einstand hilft Hamburg nicht
"Wer beißt sich oben fest?", haben wir an dieser Stelle vor zwei Tagen gefragt. Eine Teilantwort auf diese Frage liegt schon vor: Der SK Doppelbauer Turm Kiel eher nicht. Die stark gestarteten Nordlichter hätten zur Reise nach Solingen das eine oder andere Elo-Schwergewicht mitnehmen müssen, um zu bestehen. Nach der 1:7-Niederlage hat sich das Führungsquintett zu einem Quartett verkleinert. Und die Solinger haben ein kräftiges Zeichen an die Konkurrenz gesendet.
Der fünfte Spieltag der Schachbundesliga:
Das indische Supertalent Nihal Sarin in seiner ersten Partie in der Schachbundesliga am ersten Brett des Hamburger SK. | Foto: Oliver Kniest/Solinger SG
FC Bayern München – BCA Augsburg 4,5:3,5
Ohne den bislang so zuverlässigen Neuzugang Jaime Santos Latasa (der ein Open in Spanien spielt), dafür zum ersten Mal in dieser Saison mit Niclas Huschenbeth am Spitzenbrett wollten die Münchner in der heimischen Arena Punkte sammeln. Ein Vorhaben, das in Gefahr geriet, als Augsburgs Routinier „Ede“ Rozentalis die Gäste in Führung brachte.
Martin Lokander und Alvar Alonso Rossell drehten den Kampf mit vollen Punkten, und Zoltan Riblis hartnäckige Verteidigung seiner bedenklichen Stellung stellte sicher, dass die knappe Führung hielt, bis am Ende nur noch Huschenbeth und Evgeny Postny spielten.
Letzterer hätte gewinnen müssen, um Augsburg ein 4:4 zu retten, nur gab das vollends leblose Läuferendspiel auf dem Brett der beiden beiderseits keine Ambitionen auf mehr als einen halben Punkt her.
Münchener SC 1836 – USV TU Dresden 5:3
Da werden sich die Dresdner grämen. Gegen eine an den oberen vier Brettern mit einem 2680-Schnitt aufgestellte Münchener Mannschaft war ein Punkt drin, vielleicht mehr, und das lag daran, dass das Dresdner Spitzenquartett prächtig dagegenhielt.
Sei es Liviu Dieter Nisipeanu, der in einem laut seinem Gegner Gawain Jones „fantastisch interessanten“ Königsinder entschlüpfte, sei es Mateusz Bartel, der der iranischen Nummer eins Parham Maghsoodloo auf Augenhöhe Paroli bot. Oder Maximilian Neef, der gegen Ex-Europameister Ivan Saric gar nichts anbrennen zu lassen schien. Und überdies hatte noch Roven Vogel den ukrainischen Weltklassemann Pavel Eljanov mit einer Mehfigur an der Angel.
Tragisch, dass sich aus diesen vier Partien letztlich nur ein Punkt materialisierte – und entscheidend. Zuletzt hielt auch Eljanov seine Partie, als er es schaffte, sich gegen Vogel in Turm vs. Turm plus Läufer zu retten und demonstrierte, dass er weiß, wie dieses Endspiel zu halten ist.
SG Solingen – SK Doppelbauer Turm Kiel 7:1
Und da hatte noch OSG-Chef Patrick Bittner im Gespräch mit schachbundesliga.de die Kieler zum potenziellen Konkurrenten um die Titelverteidigung ausgerufen. Meisterschaftsambitionen hätten allerdings erfordert, dass die Nordlichter den schwierigen Doppelspieltag in Solingen mit zwei Vergleichen gegen andere Spitzenteams schadlos überstehen. Und dafür wiederum hätte ein signifikanter Teil der Spitze des Kieler Edelkaders die Reise in die Klingenstadt antreten müssen.
Tat er nicht, und das führte gegen die in Erwartung schwieriger Aufgaben stark aufgestellten Solinger zu einer Klatsche – inklusive der ersten beendeten Partie des Tages. Die allerdings ging remis aus, als Pawel Teclaf und Erwin l’Ami schon nach zehn Zügen die Lust auf Schach vergangen war. Es folgte ein voller Punkt für Solingen nach dem anderen.
Nur Jesper Sondergaard Thybo schien auf dem besten Wege zu sein, gegen die österreichische Nummer eins den einzigen vollen Punkt für Kiel zu machen. Aber die Partie mündete in ein vertracktes Springerendspiel, das sich trotz Mehrbauer als ungewinnbar entpuppte.
SC Viernheim – Hamburger SK 5:3
Bundesliga-Premiere für das indische Supertalent Nihal Sarin, den der Hamburger SK schon vor fast zwei Jahren verpflichtet hat. Aber dann kam die Pandemie dazwischen und verhinderte einen Einsatz des mittlerweile 17-Jährigen. Nun war es soweit, und Sarin führte sich prächtig ein – mit einem Sieg über den stärksten Spieler, den er je in einer Turnierpartie geschlagen hat.
Allein, der Mannschaftskampf ging trotzdem verloren. Sebastian Maze hatte Viernheim schnell in Front gebracht, indem er Felix Meißner am achten Brett lehrbuchartig ausmanövrierte. Bis zum Stand von 4:1 kamen Siege von Arik Braun und Bassem Amin dazu, trotzdem hofften die Hamburger noch. Es knetete ja noch Nihal Sarin sein Damenendspiel gegen Shakh Mamedyarov, und der eine Svane-Bruder (Rasmus) war im Mehrbesitz einer Qualität, der andere (Frederik) nannte einen Mehrbauern sein Eigen. Aber letztlich gelang es nur dem Inder am ersten Brett, seinen materiellen Mehrbesitz in einen vollen Punkt zu verwandeln.
OSG Baden-Baden – SF Berlin 5:3
Lange sah es für die Gastgeber gar nicht danach aus, als könne dieses der erste entschiedene Kampf des vierten Spieltags sein. Nach drei recht zügigen Punkteteilungen an Brett 1, 3 und 4 ruhten die Baden-Badener Hoffnungen auf Rustam Kasimdzhanov, der Kacper Pioruns unrochierten König schon ausgangs der Eröffnung in Schwierigkeiten gebracht hatte. Andererseits war am achten Brett Julian Martin gegen Max Hess in eine brenzliche Lage geraten.
Und dann ging es doch Schlag auf Schlag. Volle Punkte von Kasimdzhanov, Alexander Donchenko sowie Sergej Movsesian bei einem weiteren Remis stellten den Mannschaftssieg sicher. Max Hess blieb nur, für seine Berliner den Ehrenpunkt zu erzielen.
SF Deizisau – SK König Tegel 7,5:0,5
Nick Müller bewahrte die Gäste mit seinem Remis gegen Andreas Heimann vor der Höchststrafe. Abseits davon: Sieben Niederlagen. Einige davon glatt wie am achten Brett, wo Rustem Dautov lehrbuchartig einen vollen Punkt gegen einen unzureichend verteidigten König herausholte. Andere beruhend auf Aussetzern nach ausgeglichenem Verlauf wie am ersten Brett, wo René Stern wahrscheinlich entgangen war, wie stark Keymers …Kd7 sein würde:
Apropos Keymer. Nicht nur das ungleiche Duell zwischen Deizisau und Tegel war zu spielen, überdies ein mannschaftsinternes in Reihen von Deizisau: Europameister Matthias Blübaum ist Keymer in der Eloliste so nahe auf die Pelle gerückt, ein Spieltag könnte reichen, um ihn zu entthronen. Das würde allerdings erfordern, dass die beiden Deizisauer Spitzenleute nicht im Gleichtakt durchpunkten.
Düsseldorfer SK – Werder Bremen 1,5:6,5
Sich teuer verkaufen, schön und gut, aber irgendwann muss Aufsteiger Düsseldorf anfangen zu punkten, soll die Klasse gehalten werden. Der erste Versuch, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, gelang beim Vergleich mit Werder Bremen vor heimischem Publikum nicht. Und das, obwohl es gut angefangen hatte. Inna Agrest in Reihen der Düsseldorfer, einzige Frau an den Bundesliga-Brettern am Samstag, schien den Bremer Jungstar Collin Colbow vom Brett fegen zu wollen. Nur wollte sie das leider zu schön anstellen – und verdarb, was ein glänzender Sieg hätte sein können, zu einer Niederlage.
Natürlich würden die unrund in die Saison gestarteten Bremer in Düsseldorf favorisiert sein. In welchem Maße, hing davon ab, ob die Bremer Ukrainer spielen. Und das taten sie, sodass es am ersten Brett zu einer rein ukrainischen Paarung in der deutschen Bundesliga kam, denn auch die Düsseldorfer hatten zum Heimkampf erstmals Andrei Volotikin aufgeboten.
Der allerdings erlag einem schönen taktischen Finish seines Landsmanns Kirill Shevchenko.
Aachener SV – SV Mülheim Nord 2,5:5,5
Dass es lange nach einem offenen Kampf aussah, verdanken die Aachener ihrem Vorsitzenden Philipp Lamby am achten Brett…
…sowie ihrem hartnäckigen Widerstand gegen eine nominelle Übermacht an den oberen vier Brettern.
Das Problem: gegen die stark aufgestellten Mülheimer sahen sich die Aachener in ihrer dritten Bundesligaserie in Folge auch an den unteren Brettern einer nominellen Übermacht gegenüber. Und die setzte sich letztlich souverän durch. Den schönsten Zug dieses ungleichen Vergleichs spielte das belgische Supertalent Daniel Dardha: