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Ein Zeichen gegen den Krieg

Der Serienmeister startet mit einem Sieg, der Vizemeister auch. Kiel wird diesmal eine Rolle spielen, Viernheim sowieso. Aachen und König Tegel? Für diese beiden wird es nicht leicht. So viel lässt sich nach dem ersten Spieltag der neuen Saison zum Sportlichen sagen - das weniger Aufmerksamkeit bekam als die Begleitumstände und zwei Bretter, an denen niemand saß.

In Bremen blieben die Bretter der beiden Bremer Ukrainer symbolisch frei. | Foto: SV Werder Bremen

SC Viernheim – BCA Augsburg 7:1

Mehr als alle anderen Bundesligisten ist das Team des SC Viernheim vom russischen Überfall auf die Ukraine betroffen. Fünf Ukrainer stehen im Kader der Viernheimer, die den Saisonauftakt nutzten, um sich in aller Deutlichkeit zu positionieren. Nicht zuletzt auf Initiative der Viernheimer hatte der Bundesliga-Vorstand seinen Vereinen empfohlen, nur solche russischen Spieler einzusetzen, die dem Beispiel von Grischuk, Svidler, Nepomniachtchi, Kosteniuk, Esipenko und dutzenden anderen folgen, indem sie Stellung beziehen. „Schweigen ist nicht akzeptabel“, sagt Mannschaftsführer Stefan Martin. Am Rande des Matches gegen Augsburg lag eine Erklärung des Vereins aus, die diese Attitüde verdeutlichte.

Ein Ukrainer fand sich dann doch an den Viernheimer Brettern: Sergey Fedorchuk, der seit langem in Paris lebt, gelang eine Musterpartie gegen Eckhard Schmittdiel, der den Tarrasch-Franzosen Fedorchuks mit der positionell anrüchigen Haberditz-Variante konterte.

Schnelle Siege von Neuzugang Dennis Wagner und Fabien Libiszewski, dazu das Spiel auf ein Tor, das sich am Brett von Fedorchuk bald abzeichnete – auch mit nur einem Ukrainer und ohne Russen im Team machten die Viernheimer bald deutlich, dass für den nominellen Außenseiter aus Augsburg nichts zu holen sein würde. 

SG Solingen – USV/TU Dresden 5:3

Hier nimmt Weiß erst auf e6, spielt dann Sc3, und die Lage ist unklar. Warmedam vertat sich, zog sofort Sc3 - und stand schon fast auf Verlust.
Hier nimmt Weiß erst auf e6, spielt dann Sc3, und die Lage ist unklar. Warmedam vertat sich, zog sofort Sc3 - und stand schon fast auf Verlust.

Den zweiten Zug vor dem ersten ausführen, wer kennt es nicht? Wahrscheinlich war es ein solcher Fingerfehler, der dazu führte, dass der niederländische Großmeister Max Warmedam in Reihen der Solinger gegen Juraj Druska schon nach 11 Zügen am Rande der Niederlage operierte. Zwar sollte sich Warmedam noch weitere 70 Züge gegen eben diese Niederlage stemmen, aber letztlich stand eben doch eine Null auf dem Spielberichtsbogen.

Warmedam wird erleichtert zur Kenntnis genommen haben, dass am achten Brett sein Kapitän Alexander Naumann schon vor der Zeitkontrolle einen ersten vollen Punkt für die Klingenstädter herausgespielt hatte. Und dann war da ja noch der Rest der vierköpfigen niederländischen Achse der Solinger, darunter Giri-Sekundant Erwin l’Ami, der am dritten Brett ein Wiedersehen mit Dresdens Roven Vogel feierte.

Gerade erst beim Schachfestival in Wijk an Zee hatten diese beiden einander gegenübergesessen, und Vogel, dem einzigen deutschen Teilnehmer, war es gelungen, dem 2600-GM einen halben Punkt abzuknöpfen. Dieses Meisterstück vermochte er zum Bundesliga-Auftakt nicht zu wiederholen.

 

FC Bayern München – SF Berlin 5,5:2,5

Nominell war es durchaus auf Augenhöhe, was Münchner und Berliner zum Saisonauftakt an die Bretter schickten. Aber das Resultat spiegelte eher ungleiche Kräfteverhältnisse.

Auf Seiten der Münchner führte sich Neuzugang Jaime Santos Latasa, spanischer Nationalspieler im Elo-Aufwind, mit einem Sieg über Kacper Piorun ein. Der Pole hatte eine Qualität gegeben in der Hoffnung, der aufgeweichten Königsbastion Latasas zu Leibe rücken zu können. Aber letztlich stellte er fest, dass er in erster Linie mit Minusqualität einen hoffnungslosen Kampf führte.

Die sehenswerteste Partie spielten ein Münchner in Diensten der Berliner sowie ein Schwede in Diensten der Münchner. Dem Großmeister und Theoretiker Boris Avrukh ebenso wie der live übertragenden weltgrößten Schachplattform chess.com war es eine besondere Erwähnung wert, was Max Hess und Martin Lokander aufs Brett zauberten.

Die von Avrukh gesuchte Fortsetzung ist für Menschen kaum zu finden. Weiß gewinnt nur mit a4+!. Eine Idee dahinter: Nach ...Kxa4 Dxf7 Txd8 hat Weiß Da2+ nebst Exekution des weißen Königs.
Die von Avrukh gesuchte Fortsetzung ist für Menschen kaum zu finden. Weiß gewinnt nur mit a4+!. Eine Idee dahinter: Nach ...Kxa4 Dxf7 Txd8 hat Weiß Da2+ nebst Exekution des weißen Königs.



Am Ende eines undurchsichtigen, mit verrückten taktischen Wendungen und diversen Aufs und Abs durchsetzten Gefechts stand die gerechte Punkteteilung – zu wenig für Hess‘ Berliner, für die es gegen die verstärkten Münchner an diesem Tag nichts zu holen gab.

Münchener SC 1836 – SK König Tegel 6,5:1,5

Nach 12...Le6?! ergibt sich ein Spiel auf ein Tor. Weiß zieht 13.c5!, rollt danach auf dem Damenflügel, und Schwarz wird feststellen, dass er auf den anderen Seite kaum Gegenspiel findet.
Nach 12...Le6?! ergibt sich ein Spiel auf ein Tor. Weiß zieht 13.c5!, rollt danach auf dem Damenflügel, und Schwarz wird feststellen, dass er auf den anderen Seite des Brettes kaum Gegenspiel findet.

Willkommen zurück in der Bundesliga! Im Duell der Aufsteiger und Ligarückkehrer trennten sich sogleich die Wege, und es ist abzusehen, dass das so bleiben wird. Obwohl den Münchnern mit Alireza Firouzja der Weltranglistenzweite abhanden gekommen ist, sollten sie mit ihrem immer noch veritablen Kader in der Lage sein, die Klasse zu halten.

Die Berliner hingegen, traditionell formiert aus einer Reihe lokaler Schachlegenden um die Großmeister René Stern, Robert Rabiega und Michael Richter, werden sich dagegen stemmen müssen, dass sie am Ende dieser Serie der Schach-Liga-Aufzug wieder nach unten transportiert.

Ex-Europameister Ivan Saric eröffnete den Münchener Siegesreigen mit einem glatt herausgespielten Sieg über Robert Rabiega zur Münchener Führung, die die Bayern im Lauf des Wettkamps weiter ausbauen sollten. Mehr als drei Remisen waren für die nominell Außenseiter nicht drin.
 

 

 

SK Doppelbauer Turm Kiel – Aachener SV 7:1

Wenn wir die Meisterschaftsrunde 2021 mitzählen, dann spielt der Aachener SV nun die dritte Saison in Folge in der stärksten Liga der Welt – die dritte Chance für den freundlichen Außenseiter, einen Mannschaftskampf in der Bundesliga zu gewinnen.
Wie schwierig das auch in dieser Serie wird, zeigte sich gleich zum Auftakt in Kiel.

Nachdem am achten Brett Aachens Vorsitzender Philipp Lamby früh ins Hintertreffen geraten war, mussten die Gastgeber zwar stundenlang schwer arbeiten, aber das hielt sie nicht davon ab, Punkt um Punkt einzusammeln, bis am Ende der höchste Kantersieg des ersten Spieltags stand.

Neben den Bremern sind die Kieler an diesem Wochenende der zweite Verein, der via Twitch über den Gang der Dinge berichtet.
Neben den Bremern sind die Kieler an diesem Wochenende der zweite Verein, der via Twitch über den Gang der Dinge berichtet.

 

Hamburger SK – Düsseldorfer SK 5:3

Während in München die Aufsteiger gleich zu Beginn gegeneinander spielten, musste sich Aufsteiger Düsseldorf in Kiel mit einem Ligaplatzhirsch messen. Und die Düsseldorfer zeigten, dass sie mitmischen werden. Knapp war es, ausgekämpft, und obendrein mit einem schönen Gens-una-sumus-Signal versehen: In Reihen der Düsseldorfer spielte mit Andrei Orlov der einzige Russe an diesem Spieltag – gemeinsam mit zwei gebürtigen Ukrainern.

Die Düsseldorfer Recken mit dem Schriftzug des neuen Sponsors am Kragen.
Die Düsseldorfer Recken mit dem Schriftzug des neuen Sponsors am Kragen. | Foto: Jan Werner/Düsseldorfer SK

Trotz der Niederlage gab es eine gute Nachricht aus Düsseldorfer Sicht: Die erste Mannschaft hat einen Sponsor gefunden, die Consileon-Gruppe. Der Schriftzug des neuen Unterstützers prangte zum Saisonauftakt auf den Hemdkrägen der einheitlich gewandeten Düsseldorfer.

Aus Hamburger Sicht gilt es erfreut zu vermerken, dass der Neuzugang sticht. U16-Weltmeister Frederik Svane verstärkt die Hanseaten seit dieser Saison, er spielt jetzt mit seinem Bruder Rasmus in einem Team. Mit einem schnellen Sieg nahm er das Projekt „GM-Norm in der Schachbundesliga“ sogleich in Angriff.

Werder Bremen – OSG Baden-Baden 2:4 (Sieg Baden-Baden)

Das Sportliche rücke angesichts des Kriegs in der Ukraine in den Hintergrund, hatte Werders Schach-Chef Oliver Höpfner vor dem Match festgestellt – und einen Weg gefunden, das Entsetzen über den Krieg in ein schachliches Symbol zu gießen. Zwei Bremer Bretter blieben frei, die der Ukrainer Alexander Areshchenko und Zahar Efimenko. Die Baden-Badener schlossen sich diesem Schritt, so wurde nur an sechs Brettern gespielt.

Das Sportliche rückte vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine nicht nur in Bremen in den Hintergrund. | Foto: Werder Bremen
Das Sportliche rückte vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine nicht nur in Bremen in den Hintergrund. | Foto: Werder Bremen

Dass an diesen Brettern einmal mehr der Serienmeister triumphierte, lag einmal mehr an dessen in Baden-Badener Diensten stets gut aufgelegten Arkadij Naiditsch, der sich mit Schwarz den vollen Punkt sicherte. Mit den Bremern haben die Badener auf dem Weg zur Titelverteidigung nun einen ersten potenziell hartnäckigen Widersacher aus dem Weg geräumt.

SV Mülheim Nord – SF Deizisau 1,5:6,5

Premiere für Vincent Keymer: zum ersten Mal am ersten Brett in der ersten Bundesliga, wo ihm gegen Mülheim ein anderer Vertreter der Spezies „hochbegabter Youngster“ gegenübersaß. Mit Weiß gegen Thai Dai Van Nguyen, Tscheche mit vietnamesischen Wurzeln in Mülheimer Diensten, ergab sich eine sehr korrekte, wenig ereignisreiche Partie, in der der Tscheche das weiße Spiel bald zu neutralisieren vermochte.

Viel mehr als dieser halbe Punkt war allerdings nicht drin. Gata Kamsky in Reihen der Deizisauer eröffnete den Reigen, nachdem Patrick Zelbel, Öffentlichkeitsarbeiter der Dortmunder Schachtage, früh einer argen Fehleinschätzung erlegen war.

Am achten Brett war noch eine Premiere zu sehen: Ruben Gideon Köllner, in den Bundesligakader des Vizemeisters aufgerückt, holte sogleich seinen ersten vollen Punkt in der höchsten deutschen Spielklasse.

 

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