Die längste Saison jemals
Die 15. und letzte Runde der zentralen Endrunde der Schach-Bundesliga in Berlin stand an vielen Brettern unter dem Zeichen „ausrollen“ lassen. Die Meisterschaft war praktisch entschieden, und so sah man angesichts der hohen Strapazen der drei Doppelrunden an den Tagen zuvor doch einige verständliche kurze Remisen. Die Saison wird als die längste Saison aller Zeiten eingehen, startete sie doch bereits 2019 und wurde Corona-bedingt nun unter diesen ungewöhnlichen Bedingungen zu Ende gespielt. 7 Runden in 4 Tagen nach monatelanger Pause waren auch für die einiges gewohnten Profis eine ungewöhnliche Herausforderung. Austragungsort war das wunderschön zentral gelegene Maritim-Hotel in Berlin, dessen großer Saal mehr als genug Platz für die 15 Mannschaften bot.
Es war angerichtet, jetzt ist längst abgebaut: Der Ort des Geschehens im Maritim in Berlin-Mitte. | Foto: Johannes Winkler
Das Fazit von Schachbundesliga-Präsident Markus Schäfer: "Die längste Saison in der Geschichte der Schachbundesliga ist mit einem siebenrundigen Event in Berlin zu Ende gegangen. Herzlichen Glückwunsch an die OSG Baden-Baden, die den besonders spannenden Kampf um die Meisterschaft letztlich für sich entscheiden konnte. Ich bin dem Ausrichterverein SF Berlin, den Sponsoren und allen teilnehmenden Teams sehr dankbar, dass der Spielbetrieb nach der pandemiebedingten Zwangspause hochklassig und sicher wieder aufgenommen werden konnte."
Alleine schon die Organisation des Riesen-Events war aufgrund der Unsicherheiten hinsichtlich Corona und der doch eher kurzfristigen Entscheidungen ebenfalls große Herausforderung. Aber Veranstalter SF Berlin 1903, insbesondere in Person von GM Rainer Polzin und IM Lars Thiede, schaffte es einiger kritischer Meinungen zum Trotz, einen reibungslosen Ablauf und die angesichts der Umstände bestmöglichen Bedingungen für die Spieler herzustellen.
Und so konnten sich am Ende alle Beteiligten voll aufs Schach konzentrieren und zeigten in den Tagen vor Ort meistens hervorragendes Schach. Dafür sorgten viele klangvolle Namen, insbesondere Baden-Baden wollte die Meisterschaft nicht auf die leichte Schulter nehmen. Unter anderem Ex-Weltmeister Viswanathan Anand gab sich in Berlin die Ehre.
Überraschungen und Helden
Auch wenn auf Grund einiger Parallelveranstaltungen einige andere starke Spieler wie Vincent Keymer oder Fabiano Caruana fehlten, schaffte es die Schach-Bundesliga doch erneut, ihrem Ruf als stärkste Liga der Welt gerecht zu werden Insbesondere die beiden Spitzenreiter Baden-Baden und Hockenheim, die beide mit weißer Weste nach Berlin anreisten, zeigten am ersten Tag, wieso sie die Tabelle anführen, und gewannen ihre Duelle zunächst souverän. Als alle eigentlich nur auf das direkte Duell der beiden am Samstagnachmittag warteten, zeigten sich der FC Bayern (4,5:3,5 gegen Baden-Baden) und die SF Berlin (4,5:3,5 gegen Hockenheim) plötzlich als Spielverderber und rangen die beiden Giganten in der zwölften Runde überraschend nieder. Makan Rafiee an Brett 8 der Bayern war einer der Helden, der seinen knapp 250 stärkeren Gegner Vadim Milov beeindruckend besiegte:
Hier fand Rafiee 43.Txd5!, wonach die weißen Freibauern die Partie entscheiden.
Dadurch rückte am vorletzten Tag sogar Deizisau mit einem Punkt Rückstand noch in Schlagweite an die Spitze heran. Selten war die Schachbundesliga so spannend wie dieses Jahr! Am Samstag gewann Serienmeister Baden-Baden knapp gegen den Verfolger Deizisau, wobei Anand der Matchwinner war bei 7 Remisen. In einer engen Partie konnte Anand die Festung von Andreas Heimann durchbrechen (mehr dazu hier: hier) und so kam es am vorletzten 14. Spieltag doch zum tatsächlich vorentscheidenden Duell zwischen Baden-Baden und Hockenheim.
Bei beidseitiger Bestaufstellung an diesem Wochenende war Baden-Baden trotzdem Favorit, da sie im Durschnitt knapp 100 Elo-Punkte mehr an den Brettern aufwiesen. Doch wie schon die ganze Saison erlebten wir auch hier in Duell auf absoluter Augenhöhe, das am Ende in wenigen Partien und Momenten entschieden wurde. Der Unglücksrabe auf Hockenheimer Seite war Rainer Buhmann, der sich im Endspiel mit 2 Minusbauern gegen Etienne Bacrot für eine Verlustfortsetzung entschied, während andere Züge ein Remis und damit die Meisterschafft offen gehalten hätten (mehr dazu hier: hier).
Und immer wieder Baden-Baden
Und so war es am Ende doch wie immer, Baden-Baden wurde erneut verdientermaßen (wenn auch knapp) Meister und wird nächste Saison erneut schwer zu schlagen sein. Vielleicht kann Deizisau ja nächste Saison ein ernstes Wörtchen um die Meisterschaft mitreden. Denn schon diese Saison zeigte die Mannschaft mit vielen jungen deutschen Talenten wozu sie fähig ist ,denn sie gewannen in der letzten Runde das Duell gegen Hockenheim und sicherten sich im Endspurt noch den zweiten Platz. Die Jungsstars rund um das Supertalent Vincent haben schon diese Saison Bundesliga-Härte bewiesen und werden wieder oben angreifen wollen.
Zum Schluss ein kleines taktisches Highlight aus den vier Tagen Berlin:
Saric – Vogel nach 28…Sb6
Wie gewann Saric hier mit Weiß auf hübsche Art und Weise?
Bis zum nächsten Jahr!