"Der Aufstieg ist eine Chance, sich zu präsentieren"
Der Aachener SV stieg überraschend aus der 2. Bundesliga West in die Schachbundesliga auf. Wir sprachen mit dem 1. Vorsitzenden des Klubs, Philip Lamby, über die Pläne und Ziele für die kommende Saison.
Schachbundesliga: Der Aachener SV nahm als zweitplatzierte Mannschaft in der 2. Bundesliga West das Aufstiegsrecht wahr. Mit welchen Erwartungen gehen Sie, organisatorisch und sportlich, in die Saison?
Lamby: Um die Wahrheit zu sagen, hatten wir im Vorfeld diesen Aufstieg nicht erwartet und schon gar nicht geplant. Die Mannschaft hat seit der Saison 2013/14 in der 2. Liga gespielt, dort aber meistens gegen den Abstieg gekämpft. Die beiden Vorjahre konnte dieser wirklich erst mit der letzten Partie am letzten Spieltag vermieden werden und mit etwas ähnlichem hatten wir auch diese Saison wieder gerechnet, weil wir die Mannschaft ja kaum verändert hatten. Die Staffel West war aber dieses Jahr ziemlich ausgeglichen und vielleicht etwas schwächer besetzt als in den Vorjahren, weil kein finanzstarkes Team am Start war, das die Favoritenrolle für sich hätte reklamieren können. Im Laufe der Saison stellte sich dann heraus, dass wir ein ungewöhnlich gutes Jahr erwischt hatten. Gegen Ende dämmerte uns dann, dass wir vielleicht sogar aufsteigen könnten. Als es dann tatsächlich so kam, stand das Wahrnehmen des Aufstiegsrechts nicht wirklich ernsthaft in Frage: was engagierte Mitglieder angeht, sind wir breit aufgestellt und sind uns sicher, dass wir ein Jahr Bundesliga bewältigen können. Und sportlich gesehen muss es so oder einen "Abstiegskandidat Nr. 1" geben - wie in jeder Liga. Kommende Saison übernehmen wir halt diese Rolle.
Schachbundesliga: Stellen Sie bitte den Verein für alle Leser vor, die den Aachener SV nicht kennen!
Lamby: Der Aachener SV 1856 e.V. hat derzeit 93 Mitglieder und nimmt mit sechs Seniorenmannschaften (Bundesliga bis Kreisliga) und zwei Jugendmannschaften am Spielbetrieb teil. Die Stadt Aachen stellt uns die ehemaligen Räumlichkeiten der Bahnsozialkasse in der Reumonstraße 3 (Nähe Hauptbahnhof) als Spiellokal zur Verfügung. Dort haben wir seit 2005 ein Zuhause gefunden. Spiel- und Trainingsabende sind Montags ab 18.00 Uhr, Jugendtraining und Turniere finden mittwochs statt. Unsere Webseite ist www.asv-1856.de. Neben den üblichen Vereinsturnieren (Vereinsmeisterschaft im Frühjahr, Stadtmeisterschaft im Herbst) richten wir jeweils in der ersten Januarwoche ein fünfrundiges Neujahrsopen aus.
Nach Zählung des Deutschen Schachbunds ist der ASV der neuntälteste Schachverein Deutschlands. Trotz seiner langen Geschichte sind die sportliche Erfolge des Vereins eher rar. Zwar hat der Verein in den 70er-Jahren mal einen kurzen Höhenflug erlebt, als es einmal gelang, mit Ricardo Calvo am Spitzenbrett und dem jungen Jan Timman als Gastspieler die eigentlich übermächtige SG Porz zu schlagen und Mittelrheinmeister zu werden. Danach spielte man zwei Jahre in der damals neugegründeten viergleisigen 1. Bundesliga. Aber dieser Erfolg war nicht nachhaltig und endete jäh mit dem Auseinanderfallen der Mannschaft, was beinahe die Selbstauflösung des Vereins zur Folge gehabt hätte.
Die Keimzelle des heutigen Bundesligateams bildete sich Anfang der 90er-Jahre in der damals viertklassigen Mittelrhein-Regionalliga. Thomas Koch, Norbert Coenen, Nikolaos Begnis und Klaus Petzold sind seit damals dabei. Später stieß Hans-Hubert Sonntag dazu und übernahm das Amt des Mannschaftsführers. Felix Klein ist als Jugendlicher in die Mannschaft hineingewachsen. Seit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga 2013 sichert Christian Seel unser Spitzenbrett ab. Mit seiner Hilfe gelang es im vierten (!) Anlauf nach 1995/96, 2000/01 und 2009/10 erstmals, den direkten Wiederabstieg aus der Liga West zu vermeiden. Verstärkung bekommt das Team von Freunden aus dem nahegelegenen Grenzland. Martin Ahn und Rudolf Meessen vom SK Rochade Eupen sind unsere dienstältesten "Legionäre". In unserem aktuellen Kader sind Tom Piceu und Thibaut Vandenbussche aus Brügge und Oscar Lemmers aus Heerlen unentbehrliche Stützen. Die Spieler der ersten Mannschaft bilden nicht nur ein gewachsenes Team sondern füllen auch tragende Funktionen im Verein aus: der geschäftsführende Vorstand des Vereins rekrutiert sich quasi aus dem Bundesligakader und Hans-Hubert ist auch unser Jugendtrainer.
Schachbundesliga: Welche Bedeutung hat die SBL für den Verein? Wird das Abenteuer SBL von den Mitgliedern unterstützt?
Lamby: Der Aufstieg ist sicherlich eine Chance, sich zu präsentieren, etwas Neues zu lernen und sich neue Ziele zu setzen. Unsere finanziellen Möglichkeiten sind begrenzt, dafür ist die Unterstützung durch unsere Mitglieder hervorragend. Insbesondere sind durch Spenden unserer Mitglieder zumindest schon mal die Organisationskosten, also die Ausrichtung der Heimspiele, finanziell gedeckt und auch die Arbeit muss der Vorstand keinesfalls alleine bewältigen.
Schachbundesliga: Mit dem jetzigen Kader ist der Aachener SV der Abstiegskandidat Nr. 1. Wird es Veränderungen geben gegenüber dem Vorjahr, um eine realistische Chance auf den Klassenerhalt zu haben?
Lamby: Nein. Daran bestand von unserer Seite gar kein echtes Interesse: die Aufsteigermannschaft freut sich auf die Saison und möchte gerne selber spielen. Insofern macht es für uns keinen Sinn, die Bretter mit fremden Spielern zu blockieren, die im zugegebenermaßen nicht unwahrscheinlichen Falle eines Wiederabstiegs den Verein nach einem Jahr wieder verlassen würden. Abgesehen davon kann man sich durchaus auch andere sinnvolle sportliche Ziele setzen als den Klassenerhalt, vor allem auch jeder Spieler individuell, z.B. was das Erreichen von Normen angeht.
Schachbundesliga: Wie laufen die Planungen für die Heimkämpfe und worauf dürfen sich die Zuschauer in Aachen freuen?
Lamby: Im Moment stockt die Planung, da die Bundesliga den Spielplan noch nicht bekannt gegeben hat, wir demzufolge unsere Heimtermine als noch nicht kennen und deswegen nicht mal die Spielstätte anmieten können. Wir haben attraktive Möglichkeiten in der Aachener Innenstadt im Auge und hoffen dann auch, dass wir ein buntes Rahmenprogramm bieten können. Die Zuschauer in Aachen können sich aber auf jeden Fall darauf freuen, dass tatsächlich ein paar "einheimische" Spieler an den Kämpfen teilnehmen werden.
Herr Lamby, vielen Dank für das Gespräch!