Zweikampf oder Dreikampf?
An der Spitze nimmt die Bundesligatabelle langsam Kontur an. Offen ist nur die Frage, ob die Saison auf einen Zweikampf zwischen Baden-Baden und Hockenheim hinausläuft, oder ob die Baden-Badener Dependance aus Deizisau sich anschickt, ihrem großen Bruder den Titel streitig zu machen. Am anderen Ende ist vor allem klar, dass vieles unklar ist. Okay, Lingen ist raus, für die Aachener wird die Bundesliga das erwartete einjährige Abenteuer sein, aber ansonsten? Vier Mannschaften müssen absteigen, und die Riege derer, die sich noch längst nicht sicher fühlen dürfen, reicht bis ins Mittelfeld der Liga.
Der siebte Spieltag:
Aachen
Aachener SV – USV TU Dresden 2:6
Als die Aachener am Ende der Zweitligasaison 2018/19 den Aufstieg klar machten, fiel keinem Beobachter auf, dass am achten Brett ein Elfjähriger dazu beitrug, die erste Mannschaft des Vereins in die stärkste Liga der Welt zu hieven. Eine tolle Geschichte, die am siebten Spieltag der Bundesliga 2019/20 ihre Fortsetzung fand. Patrick-Robert Breitkopf-Lazar, 12 Jahre jung, Elo 1674, darf sich seit dem heutigen Spieltag Bundesligaspieler nennen. Den Titel „jüngster Bundesligaspieler jemals“ teilt er sich nun mit Luke McShane, der laut Wikipedia 1996 ebenfalls als Zwölfjähriger für Erfurt Bundesligaluft schnupperte.
Einsatz vor heimischem Publikum in der höchsten Spielklasse, ein Bonbon, das Patrick-Robert sich verdient hat. „Er hat ja mitgeholfen, dass wir in dieser Liga spielen können“, sagt Aachens Vorsitzender Philipp Lamby. Für einen Punkt oder einen halben reichte es gleichwohl nicht. Patrick-Robert wehrte sich wacker fast 60 Züge lang, war aber in ein arg problematisches Läuferendspiel geraten, das er nicht halten konnte.
Auch weil der Zwölfjährige am achten Brett sich so wacker wehrte, hofften die Aachener lange, endlich etwas Zählbares einzufahren. Zwar hatte Dresdens Jens-Uwe Maiwald die Gäste bald in Führung gebracht, zwar schickte sich dessen Kollege Mateusz Bartel an, noch eins draufzusetzen, aber auf Seiten der Aachener hatte Felix Klein Uwe Bönsch an der Angel, und auch Thomas Koch konnte sich gegen Grzegorz Gajewski Hoffnung auf einen vollen Punkt machen. Doch die Hoffnung zerschlug sich, und am Ende standen zwei für die Dresdner existenziell wichtige Mannschaftspunkte.
SC Viernheim – SF Berlin 6:2
Dass der Sieger dieses Matches Viernheim heißen würde, zeichnete sich schnell ab. Erst kombinierte im Duell der Bundesliga-Routiniers am achten Brett Günther Beikert Lars Thiede in Grund und Boden, dann unterlief Berlins Martin Krämer am zweiten Brett ein taktischer Aussetzer, der unmittelbar eine Null auf der Spielberichtskarte zur Folge hatte. Und es gab kaum Zeichen, dass diese Zwei-Punkte-Führung den Viernheimern nicht reichen sollte. Am Ende bauten sie sie gar noch aus, unter anderem dank Spitzenmann Korobov am ersten Brett.
Mülheim
SV Mülheim Nord – Hamburger SK 4:4
Für Hamburg begann das Match mit einem Nackenschlag, als sich unerwartet schnell und deutlich am Spitzenbrett Robert Kempinski dem tschechischen Supertalent Thai Dai Van Nguyen beugen musste. Danach ging es Schlag auf Schlag und hin und her. Es hätte lange so oder so ausgehen können, am Ende schien sich beim Stand von 3:3 die Waagschale zugunsten der Nordlichter zu neigen. Deren Sipke Ernst war gegen Daniel Fridman auf der Endspiel-Siegesstraße, während Hamburgs Dirk Sebastian gegen Daniel Hausrath zu halten schien – was ihm dann doch nicht gelang.
SG Solingen – SG Turm Kiel 5,5:2,5
Mit einem kampflosen 1:0 am ersten Brett im Rücken, dazu noch mit einem Elo-Vorteil an jedem Brett, sicherte sich Solingen einen ungefährdeten Sieg. Der stand im Prinzip schon fest, als Jorden van Foreest seinen Turm in die zentrale Bauernformation seines Gegners prügelte. Marcin Dziuba auf der anderen Seite des Brettes versuchte eine Brechstangen-Gegenkombi, aber die funktionierte nicht recht. Mit 2:0 in Führung liegend, sicherten sich die Solinger einen komfortablen, ungefährdeten Erfolg.
Hockenheim
SV Hockenheim – BCA Augsburg 6:2
730 Punkte Eloübermacht. An Brett acht des Vergleichs Hockenheim-Augsburg war der nominell mit Abstand größte Spielstärkeunterschied des Spieltags zu verbuchen, und der führte zu einem raschen Punkt von Tamas Banusz (Elo 2620) gegen Jarno Pitl (Elo 1990). An den anderen Brettern war es weder nominell noch der Stellung nach so klar. Der Kampf zog sich, die Augsburger wehrten sich, und doch fiel letztlich einer nach dem anderen. Statt zuletzt mit vier 2700ern traten die Hockenheimer vor heimischem Publikum mit „nur“ einem an: David Howell. Und der sollte derjenige werden, der den bayerischen Gästen den einzigen Sieg gewährt. Michael Prusikin war so frei, den Briten erst auszukombinieren und die Chose dann in ein gewonnenes Endspiel zu überführen.
SG Speyer-Schwegenheim – FC Bayern München 4:4
Ein ebenso ausgekämpftes wie ausgeglichenes Duell. 2,5:2,5 stand es, da verwaltete Münchens Valentin Dragnev am Spitzenbrett einen ebenso fast entscheidenden Vorteil wie Speyers Nikita Meshkovs an Brett sechs. Also würde es von der Partie Philip Lindgren (München) – Oleg Boguslawski (Speyer) am siebten Brett abhängen. In einem Doppelturmendspiel mit ungleichfarbigen Läufern gab der Speyrer einen Bauern, um sich eine uneinnehmbare Bastion zu bauen. Und in die gab es tatsächlich kein Eindringen – 4:4.
Bremen
SV Werder Bremen – SF Deizisau 3,5:4,5
„Die Abwehr muss stehen“, sollte die Attitüde Bremens fürs Hammerwochenende gegen Baden-Baden und deren Dependance in Deizisau sein. Nur hatte das niemand Lucas van Foreest mitgeteilt. Oder war Matthias Blübaums Sturmlauf so unwiderstehlich? Früh brach der deutsche Nationalspieler gegen den niederländischen Meister durch, und den Bremern drohte ein Desaster. Am zweiten Brett wackelte an diesem Tag nämlich nicht nur Luke McShanes Titel als jüngster Bundesligaspieler jemals, auch seine Stellung wackelte bedenklich. Da war es kaum ein Trost für Bremens Romain Edouard, dass es ihm am vierten Brett gegen Georg Meier kaum besser erging.
Wer nach drei Stunden draufschaute, mochte wenig später kaum glauben, dass sich Bremen um ein Haar ins 4:4 rettete. Anstatt den gegnerischen Monarchen zu erlegen, wickelte am zweiten Brett Kamsky in ein Endspiel Dame versus zwei Türme ab, dass sich trotz zweier Mehrbauern nicht gewinnen ließ. Edouard-Meier entwickelte sich derweil in ein schwer durchschaubares Drama mit mehreren Höhen und Tiefen, in dem der Franzose schließlich nahe am Triumph schien. Doch letztlich erlaubte er Meier, in ein unentschiedenes Endspiel zu entkommen.