"Ich muss zeigen, dass ich in die Bundesliga gehöre"
Lara Schulze steht am Anfang eines Schachjahres, eines ihrer Ziele ist klar definiert: Die Elozahl soll über 2400 steigen. Mittelfristig, nach dem Studium, steht sie womöglich vor einer Profikarriere. "Von meiner Leidenschaft fürs Spiel her passt das auf jeden Fall", sagt Schulze im Interview. In der kommenden Saison, die am 5. März beginnt, wird sie erstmals in der Bundesliga am Brett sitzen. Lara Schulze ist Teil der Gruppe von hungrigen Nachwuchsspieler:innen, mit denen der SV Werder Bremen nicht nur den Kader bestückt, sondern ihnen Einsätze garantiert. "Jetzt liegt es an mir zu zeigen, dass ich gut genug für die Bundesliga bin", sagt Schulze.
Lara Schulze. | Foto: privat
Lara, U20-Europameisterin, Deutsche Meisterin im Schnellschach. Läuft bei dir.
Ja, das stimmt.
Und wie kommts?
Je mehr ich spiele, desto besser, dieser Effekt ist bei mir nicht neu. 2019 hatte ich einen ähnlichen Lauf bis zu meinem bisherigen Elo-Hoch von 2345, da wurde es auch immer besser, je mehr ich gespielt habe. Nach der Pandemie-Pause war es ähnlich. Vielleicht spielt noch dazu eine Rolle, dass es mir allgemein gerade sehr gut geht.
Du hast Abi gemacht, jetzt stehst du am Anfang eines Schachjahres.
Und ich bin glücklich damit. Zu reisen und mich auf Schach zu fokussieren, bereitet mir große Freude. Dazu passt perfekt, dass ich genau mit dem Beginn meines Schachjahres Teil der „Powergirls“ beim Schachbund geworden bin. Diese Förderung kann ich jetzt am besten gebrauchen.
Du bist ja nicht nur schachlich ambitioniert. Mit deinem Blog, auf Twitter, Facebook, Instagram bist du medial sichtbarer als alle anderen Kaderspieler. Was ist dein Antrieb dafür?
Ich schreibe einfach gerne, ich mag es zu berichten, was ich erlebe. Mit dem Blog, damals noch auf der Seite des SK Lehrte, habe ich 2017 zur Jugend-WM in Uruguay angefangen: eine Schachreise in ein weit entferntes Land, da bot es sich an. Im vergangenen Jahr kam die eigene Homepage dazu. Mittlerweile berichte ich nicht mehr nur von Weltmeisterschaften, sondern viel regelmäßiger. Das kommt an, es wird gelesen, ich kriege tolles Feedback, und das steigert noch meine Freude. Also mache ich weiter.
Schachliche Intensivförderung, dazu die mediale Sichtbarkeit: Das riecht nach Profikarriere.
Eine solche würde ich zumindest nicht ausschließen. Allerdings möchte ich nach diesem Schachjahr ab Oktober 2022 auf jeden Fall studieren und das Studium auch abschließen, Germanistik und Geschichte. Danach mal schauen, vielleicht mache ich Schach zum Beruf. Von meiner Leidenschaft fürs Spiel her passt das auf jeden Fall.
Woher kommt die Leidenschaft? Lag sie in der Familie?
Gar nicht. Meine Eltern hatten mit Schach nichts am Hut. Aber dann habe ich mir in der dritten Klasse den Fuß gebrochen. Ich war acht, das war kurz vor den Herbstferien, und es drohte die große Langeweile zu Hause. Meine Eltern haben sich gefragt, was sie dem Kind bieten können, das es auch mit gebrochenem Fuß machen kann. Sie haben sich unter Vereinen in unserer Nähe umgeschaut – und sind auf den Schachclub gekommen. Sie dachten, beim Schach kann man gut den Fuß hoch lagern. Das war Zufall, es hätte auch etwas ganz anderes als Schach werden können.
Und du bist dabei geblieben.
Mein Bruder hat dann auch angefangen, wir sind als Familie zu Turnieren gefahren, so macht es mehr Spaß. Und auch das Umfeld beim SK Lehrte passte, dort habe ich mich in den Trainingsgruppen mit anderen Kindern wohlgefühlt.
Wann hast du gemerkt, dass du ein Ausnahmetalent bist?
Eigentlich war ich auf Anhieb erfolgreich. Anfangs habe ich viele Schnellturniere für Kinder in der Region gewonnen. Solche Erfolge motivieren, weiter zu trainieren, das habe ich dann gemacht, und es stellten sich weitere Erfolge ein: Bezirksmeisterin, Landesmeisterin, Deutsche Meisterin U12, das ging alles recht schnell.
Und jetzt? Du hast weitere Erfolge im Rücken, trainierst weiter – wo sind die Ziele?
2400 Elo ist das nächste Ziel. Mein bisheriges Elo-Hoch will ich möglichst bald übertreffen. Außerdem WGM-Normen, davon habe ich noch keine, da muss ich ran.
Dafür bedarf es Wettbewerben mit internationaler Gegnerschaft.
Das stimmt allerdings. In den nächsten Monaten wird es schwierig, Normturniere zu finden. Also muss ich erstmal an meiner Elo arbeiten, dann die Normen.
Die Zeit ohne Turniere nach März 2020 muss hart für dich gewesen sein.
Zwei Turniere habe ich gespielt, aber die nicht besonders gut. Ich habe einige Elopunkte eingebüßt, darum stehe ich jetzt wieder knapp unter 2300. Ansonsten habe ich viel online gespielt, auch die ganzen offiziellen Meisterschaften, und dazu viel trainiert. Aber mir gefällt es am Brett mit langer Bedenkzeit viel besser, das hat mir gefehlt. Turnierpartien zu spielen, ist mein Lieblingstraining. Die Trainingspartien mit meinen Trainern während der Pandemiepause waren zwar auch hilfreich, aber letztlich nur ein Ersatz.
Deine Trainer?
Jonathan Carlstedt und Dmitrij Kollars.
Die Bremen-Connection.
Genau. Einmal wöchentlich trainiere ich mit Jonathan, zweimal mit Dmitrij.
Du bist unlängst zum SV Werder Bremen gewechselt, wo Jonathan Carlstedt als Trainer angestellt ist. Sehen wir dich nächstes Jahr für den SV Werder in der Bundesliga?
Das war ein Grund, nach Bremen zu wechseln: die Chance, in der Bundesliga starke Gegner zu bekommen. Der andere war die Zusammenarbeit mit Jonathan.
Reicht deine Spielstärke schon für die Kaliber, auf die du in der Bundesliga treffen wirst?
Nominell wäre ich, Stand jetzt, mit 2300 tatsächlich fast der schwächste Spieler der Liga. Es liegt an mir zu zeigen, dass ich trotzdem dahingehöre. Auf jeden Fall werde ich Einsätze haben. Die Bremer sind sehr darauf bedacht, den Nachwuchs in die erste Mannschaft einzubauen: Collin Colbow, Nikolas Wachinger, Jari Reuker – und jetzt auch mich. Wir bilden die junge Gruppe, die Einsätze in der Bundesliga bekommen soll.